Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Steintor auf Tour zu gehen. Die Langfinger bekommen schon bei ihrer Ankunft eine Begrüßung nach Hells-Angels-Art, nicht erlaubt, aber effektiv.
Bald halten sich Hanebuth und seine Männer in ihrem Quadrat wohl für die bessere Polizei, auch weil sich die echten Gesetzeshüter nach und nach zurückziehen. Offensichtlich sind die Behörden ganz froh darüber, dass die schlimmen neunziger Jahre vorbei sind und das Quartier einen Aufschwung erlebt.
Die Party des Paten
Es ist ein Auftritt wie der eines Staatsoberhaupts. Die Hauptperson sitzt in einer silbernen Mercedes-Stretchlimousine, die wiederum von 16 Motorrädern flankiert wird. So dröhnt die Kolonne am 11. September 2004 durch das nächtliche Hannover und bringt den Paten der Stadt zu seiner Party.
Die Kräder erzeugen den typischen Harleylärm, der nicht nur eingefleischte Rocker fasziniert. Eine Mischung aus Adrenalin, Testosteron und angespannter Erregung umwabert das Clubheim der Hells Angels, als der Benz direkt vor dem Eingang stoppt.
Der knapp zwei Meter große Mittelpunkt des Abends entsteigt der Limousine in einem weißen Hemd. Darüber trägt er die schwarze Lederkutte seines Clubs, die mit Totenköpfen aus Messing verziert ist. Auf dem Rücken prangt der Schriftzug »Hells Angels Germany«, den die deutschen Höllenengel eigentlich öffentlich nicht tragen, weil eine erkennbare bundesweite Struktur ein allgemeines Clubverbot erleichtern könnte. Doch heute ist ein besonderer Tag.
Europas mächtigster Hells Angel, Frank Hanebuth, feiert in seinen 40. Geburtstag hinein. Seine Rockerkumpels produzieren von der Sause ein Video, das auf verschlungenen Pfaden an die Öffentlichkeit gelangt und gute Einblicke in die Persönlichkeitsstruktur des Bosses ermöglicht. Es liefert Erklärungsansätze, warum sich Hanebuth bei den Hells Angels eine so exponierte Machtposition aufbauen konnte.
Noch bevor der Chefrocker seine zivilen Gäste begrüßt, hält er eine kurze Rede im Kreis seiner Clubkameraden: »Ohne euch wäre das gar nicht gegangen. Lasst uns einen ruhigen, bunten Abend verleben. Auf euch Männer! Hells Angels!«
Hanebuths Verhalten ist nicht selbstverständlich in der deutschen Rockerszene. Viele Bosse agieren wie Despoten in Lederkutte, unter denen vor allem die vermeintlichen »Brüder« zu leiden haben. Für sie sind die angeblichen Interessen des Clubs in Wirklichkeit vor allem ihre eigenen. Autorität schöpfen sie aus der Angst, die sie verbreiten.
Hannovers Hells-Angels-Fürst hat das offenbar nicht nötig, seine Gefolgsleute blicken mit leuchtenden Augen zu ihm auf, wie die Videoszenen zeigen. Natürlich könnten Hanebuth und seine Entourage ihr Verhalten für die Kamera inszeniert haben, allerdings wären sie dann ziemlich begabte Mimen.
Neben dem Charisma des Glatzkopfes hat die Loyalität der Männer einen anderen, schnöden Grund. Szene-Experten der Polizei attestieren Hanebuth einen modernen Führungsstil, gerade in Finanzfragen: »In Hannover verdienen alle mit«, so ein Ermittler. Neben dem Anführer sollen es fünf weitere Angels zu Millionären gebracht haben. Zwar dementiert Hanebuth stets, Millionär zu sein, doch zweifellos verfügt er über genügend Geschäfte und Kontakte, um seinen Anhängern einträgliche Jobs zu besorgen.
Auf der Geburtstagsfeier 2004 in Hannover säuft auch der Berliner Hells-Angels-Chef Holger »Hocko« Bossen mit, der in vielerlei Hinsicht das Gegenteil des Niedersachsen ist: »Hocko« führt sein Charter wie ein Gutsherr. Er lässt seine »Member« bei sich zu Hause in der brandenburgischen Pampa antanzen, damit sie seinen Hund »Bruno« ausführen. Szenekenner der Hauptstadt sagen, Bossen könne kein Geschäft abschließen, ohne dass die andere Partei unzufrieden sei. Wahrscheinlich greift er später für eigene Zwecke in die Clubkasse und besiegelt damit sein Ende als Hells Angel. 2007 rebellieren die einfachen Mitglieder gegen das despotische Oberhaupt, Bossen muss abdanken.
Hingegen kann sich Hanebuth über mangelnde Sympathiebekundungen nicht beklagen. Auf der Geburtstagsparty schmeißen sich nicht nur Rocker und schöne Frauen an ihn ran. Die Kamera zeichnet auf, wie der Charterboss das weiße Festzelt betritt, wo an runden Tischen mit weißen Tischdecken etliche Rotlichtgrößen aus ganz Deutschland hocken. Die Herren trinken Pils oder Jim-Beam-Cola. Der Gastgeber geht zu jedem Einzelnen und nimmt ihn freundschaftlich in den Arm.
Dann zieht er weiter und herzt andere Gäste, ein
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