Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Milieu-König zum Anfassen. Seine Kumpel-Attitüde, gepaart mit dem Unterwelt-Image, zieht auch bürgerliches Partyvolk an. Ein Redakteur der Lokalzeitung unternimmt später einige Anstrengungen, gemeinsam mit dem schon sichtlich angetrunkenen Hanebuth in die Kamera zu lächeln. In einem seiner Artikel wird er dem Rockerboss eine »erstaunliche Resozialisierung« attestieren.
Natürlich fehlt der Trauzeuge des damaligen Bundeskanzlers nicht. Hanebuths Anwalt Götz von Fromberg hat ebenso wie der Gastgeber ein weißes Hemd angezogen, das bei ihm allerdings deutlich stärker spannt. Zwischen den Höllenengeln und Bordellbetreibern wirkt der renommierte Strafverteidiger nicht so verloren, wie man annehmen möchte. Denn er ist nicht alleine: In die Zentrale der hannoverschen Hells Angels hat es eine Menge Anzugträger verschlagen, flankiert von elegant gekleideten Damen, die in ihren schwarzen Kostümen auch eine Vernissage eröffnen könnten. Diese Frauen unterscheiden sich deutlich von den blondierten Stöckelhühnern, die keine BH s unter den luftigen Oberteilen tragen und den Kameras die prallen Tätigkeitsnachweise plastischer Chirurgen präsentieren.
Im »Angels Place« mischen sich an diesem Abend Rotlichtszene und Bürgertum, und möglicherweise plaudert die brave Ehefrau nichts ahnend mit den Damen, die der nicht ganz so brave Ehemann schon länger und weitaus besser kennt. Hanebuth ist die Schnittstelle zwischen Schlipswelt und Knochenbrecher-Milieu.
Auch Markus W., die Schande des deutschen Fußballs, gönnt sich Cocktails an der Theke. Als der Hooligan 1998 wegen der feigen Attacke auf den Gendarmen Daniel Nivel in Untersuchungshaft wandert, liegt zu Hause noch seine Bones-Kutte. Im April 2002 marschiert er als Hells Angel aus dem französischen Gefängnis. Die Resozialisierung gelingt sofort. Zumindest im Rockerclub. Hanebuth gibt ihm einen Job als Wirtschafter eines Eroscenters. Hier kassiert Markus »Maxe« W. die Zimmermieten der Prostituierten und organisiert den täglichen Bordellbedarf. »Maxe hat seine Strafe abgesessen. Er hat eine schlechte Vergangenheit gehabt. Trotz alldem hat jeder eine zweite Chance verdient. Die hat er genutzt bei uns. Er ist gut drauf. Da gibt es auch kein Wenn und Aber«, so der Bewährungshelfer Hanebuth in einem Interview.
Ebenso wie sein Förderer entstammt Markus W. dem bürgerlichen Milieu, in dem hannoverschen Vorort Sarstedt hat er Abitur gemacht. Bei den Hells Angels steigt er zwischenzeitlich sogar zum »National Treasurer« auf und verwaltet damit die Deutschlandkasse der Organisation. Später betreut Maxe auch die Homepage des Charters. Allerdings nur bis zum Jahr 2011. Nach über 15 Jahren verlässt W. in diesem Jahr die Gang, ob er freiwillig geht oder gehen muss, bleibt unklar. Es kursieren Gerüchte, der Ex-Hooligan habe sich während eines Ausflugs nach Russland danebenbenommen. Hanebuth sagt nur lapidar: »Es hat nicht mehr gepasst.«
Die Feier im September 2004 erlebt ihren Höhepunkt um Mitternacht. Eine alkoholselige Meute aus Höllenengeln, Rotlichtgrößen und Biedermännern grölt »Happy birthday to you« – angestimmt vom Boss persönlich. Eine Blaskapelle amerikanischer Prägung intoniert den Klassiker »You can call me Al« und die Menge brüllt im Chor die Textzeile »If you’ll be my bodyguard …« Ein Feuerwerk erleuchtet den niedersächsischen Nachthimmel.
Draußen vor dem »Angels Place« überreichen die Clubkameraden dem Clan-Oberhaupt ihr Geschenk: ein bestimmt drei Meter großes Porträt, auf dem ein riesiger Glatzkopf in Hells-Angels-Kutte vor einer offenbar antiken Kulisse aus griechischen Säulen posiert. Die gemalte Kopie wirkt jünger als das Original, dafür strahlt der echte Hanebuth stärker: der König von Hannover, in Öl. Doch sein Zenit ist bald erreicht.
In der Mitte der Gesellschaft
Erst einmal avanciert Hanebuth zum Eventmanager, unter dessen Führung die Kiezwirte im Steintorviertel jährlich zwei Straßenfeste mit bis zu 40000 Besuchern ausrichten. Solche Großereignisse laufen nur mit dem Rückenwind der Stadtverwaltung, Hanebuth ist damals ein gern gesehener Gast im Rathaus, dessen Konzepte die Beamten zumeist abnicken. Die Polizei beobachtet Hanebuths Treiben. Frühe Großermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung sind gescheitert – weshalb auch immer.
Derweil breiten sich die Hells Angels aus und lassen sich immer neue Geschäftsideen einfallen. So kreieren sie die Marke
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