Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
sich beim Taekwondo antrainiert.
Der Rausschmeißer-Job ist Hanebuths Start in die Halbwelt. Als er Ende 2009 auf seine Rotlicht-Vita zurückblickt, füllt sich seine Stimme mit Stolz. »Ich habe das Milieu von der Pike auf gelernt«, sagt er ganz selbstverständlich, so als sei das Ausbeuten von Frauen ein Gewerbe wie Autos verkaufen oder Bier brauen.
1983 schlägt »der Lange« im hannoverschen Steintorviertel auf. Damals ist das noch ein Schmuddelquadrat aus vier Straßen, die selbst bei Sonnenschein traurig aussehen. In der Gegend betäuben Männer ihre Probleme auf dreierlei Weise: an der Theke, am Spielautomaten und im Doppelbett mit Feuchttüchern und Kondomen auf dem Nachttisch.
Der Zimmermanngeselle beginnt als Kneipier im »Schwarzen Peter«. Seine rechte Gerade – mittlerweile boxt er auch – setzt aber zudem in verrauchten Spielhallen das Hausrecht durch. Es dauert nicht lange, bis Hanebuth sein erstes Bordell übernimmt, er macht viel Tempo im Milieu und landet schnell in Untersuchungshaft. Es geht um Kneipenschlägereien und etliche Körperverletzungen, Lappalien eigentlich in der Szene, dennoch wird der Knast sein Leben verändern.
In der Justizvollzugsanstalt Hannover trifft der Nachwuchshaudegen auf den noch jungen Rechtsanwalt Götz von Fromberg. Es ist der Beginn einer Männerfreundschaft, die das öffentliche Leben in der niedersächsischen Landeshauptstadt bald maßgeblich beeinflussen wird. Schon das erste gemeinsame Projekt gelingt: Das Verfahren gegen Hanebuth wird eingestellt.
In der Folge machen beide Männer Karriere, der eine in seiner Kanzlei, der andere in der Szene. Ab Mitte der achtziger Jahre vermehrt Hanebuth stetig Macht und Einfluss im Rotlichtbezirk am Steintor. Wer sich im Milieu nach oben kämpft, braucht Kraft und Köpfchen, beides bringt der Beamtenspross mit. Wer sich längerfristig behaupten möchte, braucht noch mehr.
Durch die Straßen am Steintor wabern heute Dutzende Geschichten über den jungen Hanebuth und seinen Aufstieg zum Paten von Hannover. Ihr Wahrheitsgehalt lässt sich nach 25 Jahren nur schwer überprüfen. Doch die einzelnen Anekdoten verdichten sich zu einem Bild: Demnach erarbeitet sich Hanebuth den Ruf eines knallharten Mannes, auf dessen Wort Verlass ist und der sich nicht scheut, selbst zuzulangen. Bei Konflikten schickt er nicht seine Gorillas, sondern zieht alleine los. Interne Konflikte vermeidet er, indem er seine Mitarbeiter nicht ausbeutet. Angeblich behandelt er die Frauen in seinen Läden erträglicher als andere Luden. Wegen Zuhälterei oder Menschenhandel – die Klassiker im Rotlicht – wird er jedenfalls nie verurteilt.
Den ersten echten Stresstest übersteht er Anfang der Neunziger nach dem Zusammenbrauch des Kommunismus. In der Zeit ziehen berüchtigte Balkanbanden über die westdeutschen Rotlichtmeilen und kassieren Schutzgeld. Auch in Hannover verlangen die Neuen ein Stück vom Kuchen. Manche erzählen, dass daraufhin einige Südosteuropäer im Steintorviertel aus dem zweiten Stock eines Bordells auf die Straße geflogen seien, doch ob das stimmt, ist nicht ganz klar. Auf jeden Fall behalten die deutschen Zuhälter um Hanebuth ihre Geschäfte und bleiben eigenständig.
1992 wird aus dem Bordellbetreiber Hanebuth der Rockerbruder Frank. Es ist ein strategisch geschickter Zug, der seine Stellung im Rotlicht zementiert. Ein Frankfurter Freund und Kollege mischt damals bereits bei dem Motorradclub Bones mit. Die Gang mit der Knochenhand auf den Kutten gehört vor 20 Jahren neben dem Gremium MC zu den mächtigsten Banden in Deutschland. Hanebuth erhält am Main einen Schnellkurs in Bikerkultur und macht wenig später mit seinen Zuhälter-Kumpels einen neuen Bones-Ortsverein in Hannover auf.
Auf diese Weise steigt er gleich als Präsident eines Chapters in die Szene ein; die Ochsentour, die er seinen Gefolgsleuten abverlangen wird, hat er selbst nie machen müssen. Ganze drei Monate lang werden Hanebuth und seine hannoversche Zuhältergarde als Anwärter geführt, dann sind sie Vollmitglieder. Es ist eine Aufnahme de luxe, für den aufstrebenden Luden aus Niedersachsen werden die strengen Regeln aufgeweicht.
Hanebuth rekrutiert für seine Gang schlagkräftige Kerle, gerne auch Hooligans wie den bereits erwähnten Markus »Maxe« W. Während der Fußballweltmeisterschaft 1998 fällt der mit seiner alten Clique in das nordfranzösische Lens ein. In einer engen Seitenstraße aus roten Backsteinhäuschen schlagen die deutschen
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