Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
gegen uns.« Der Konflikt zwischen Hells Angels und Bandidos wühlt so die gesamte Bikerszene in Schleswig-Holstein auf. Einige Motorradclubs wollen sich nicht in einen Zwist hineinziehen lassen, der nicht ihrer ist, und lösen sich auf. So verschwindet etwa der MC Yakuza still und leise von der Bildfläche.
Andere Vereine wollen weiterbestehen und bezahlen dafür einen hohen Preis. Der MC Highway Swan aus Neumünster mutiert zu den Red Devils »Neumünster«. Die Red Devils sind der größte Unterstützerclub der Hells Angels weltweit. Die ehemals eigenständigen Swans erhalten ab sofort Anweisungen von den Höllenengeln, in der Befehlskette stehen sie ganz unten.
Doch diese Art der Aufrüstung reicht den Hells Angels noch nicht. In Kiel gründen sie die Legion 81 – eine schnelle Eingreiftruppe für die schmutzige Arbeit. Männer ohne Motorräder, aber mit viel Schlagkraft, um den mehrfach vorbestraften Steffen R. Der untersetzte Mann hatte sich zuvor Geld bei dem Kieler Hells Angel Peter P. geliehen. Jetzt kann Steffen R. den Milieukredit auf andere Art und Weise zurückzahlen. Später wird er zum Kronzeugen gegen die Höllenengel mutieren.
Es ist unvorstellbar, dass die Hells Angels als selbsternannte Biker-Avantgarde Steffen R. in Friedenszeiten rekrutiert hätten. Der kleine, übergewichtige Mann mit den schwammigen Gesichtszügen, Szenename »Kugelblitz«, erfüllt nicht die äußeren Ansprüche der Motorradbande, die sehr viel Wert auf Körpergröße und Bizeps-Umfang legt. Ein dicker Dackel unter lauter Pitbulls.
Doch die verzweifelte Suche nach Verbündeten hat vor allem einen Grund: Peter Borchert. Er steigt zum Vize-Präsidenten der Bandidos »Neumünster« auf. Alle in der Szene kennen seine Brutalität und seine rücksichtslose Entschlossenheit. Ein szenekundiger Polizist sagt: »Der ist irre. Das macht ihn so gefährlich.«
Im Gegensatz zu den meisten Hells Angels hat Borchert wenig zu verlieren. Er besitzt kein teures Haus, keinen AMG -Mercedes, keine Familie. Er hat mehr als zehn Jahre lang im Gefängnis gesessen. Angst vor Strafe hat ihn noch nie einen Gang zurückschalten lassen. Er liebt die Rolle des anarchischen Revolutionärs. Und bei den Bandidos findet er ein neues Betätigungsfeld, er ist in seinem Element.
Die Gewalt eskaliert
Zwischen Nord- und Ostsee eskaliert die Gewalt. Im September 2009 rammt der Flensburger Hells-Angels-Boss Stefan R. mit seinem Audi A 8 den Bandido Thomas K. auf der Autobahn bei voller Fahrt von seiner Harley. Das Opfer fliegt in die Leitplanke und bleibt schwer verletzt liegen.
Seine Clubkameraden stoppen an der Unfallstelle später einen Golf, in dem zwei Hells Angels sitzen. Die müssen jetzt büßen. Die Polizei findet die Männer erst Stunden später mit Stichverletzungen und eingeschlagenen Zähnen im Grünstreifen neben der Autobahn.
In Kiel schießt ein bis heute Unbekannter auf das Haus des lokalen Höllenengel-Chefs Dirk R.
Zwei 81-Legionäre fahren auf Befehl von Steffen R. nach Preetz bei Kiel und ballern mit einem Weihrauch-Revolver Arminius, Kaliber .38 Spezial, auf den Bandidos-Unterstützer Andreas B. Angeblich hat R. den Auftrag und 3000 Euro für die Schüsse von ganz oben bekommen, bewiesen aber ist das bis heute nicht.
2009 befinden sich Hells Angels und Bandidos im hohen Norden in einem Zustand permanenter Alarmbereitschaft. Jeder rechnet jederzeit mit einem Angriff. Jeder Rocker ist verpflichtet, ständig per Handy erreichbar zu sein. Der Kieler Hells-Angels-Anführer Dirk R. leiht sich bei seinem Freund Frank Hanebuth sogar eine gepanzerte Limousine. Dessen Firma »Bodyguard Security« verfügt über solche Spezialfahrzeuge.
Kronzeuge Steffen R. erzählt später, mit dem Auto hätte ein Rachefeldzug unternommen werden sollen: »Falls die Bandidos einen Angel an- oder erschießen, sollte eine Handgranate in deren Vereinsheim fliegen. Außerdem sollten drei Bandidos erschossen werden. Die Taten sollten mit dem gepanzerten Auto durchgezogen werden.« Sinn ergibt das allerdings nicht so recht, und auch Frank Hanebuth entgegnet: »Blödsinn. Das Auto war nur für den persönlichen Schutz von Dirk R. in Kiel.«
Die Flensburger Hells Angels deponieren Waffen und Munition in einer Kfz-Werkstatt: elf israelische Maschinenpistolen vom Typ Uzi und ein AK -47-Sturmgewehr aus Russland, eine Kalaschnikow. Als die Polizei die Waffen im November 2009 findet, herrscht unter den Ermittlern nicht nur Jagdstolz. Ein hochrangiger Kriminalbeamter:
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