Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Mechaniker ab.
Bei zwei längeren Gesprächen im August 2008 und Januar 2010 erweist sich Janez E. phasenweise als aufmerksamer Zuhörer. Er verarbeitet Informationen schnell und stellt die richtigen Nachfragen. Bei der zweiten Unterredung erinnert er sich an Details aus dem ersten Treffen, obwohl anderthalb Jahre vergangen sind.
Allerdings versteckt der Rocker seine negativen Eigenschaften keine fünf Minuten lang. Wenn er Widerstand spürt, wird er laut. Selbst seinem Anwalt gegenüber vergreift er sich im Ton. Er behandelt seine Clubkameraden wie ein russischer Hauptmann seine Rekruten. Ein Verteidiger sagt später vor Gericht, Janez E. leide an Hyperaktivität.
Nach seiner Berufsausbildung ist E. ins Rotlichtmilieu abgerutscht. Er arbeitet als Türsteher in Singener Diskotheken und als Wirtschafter in einem Freudenhaus. Von 1984 bis 2000 wird er 14 Mal verurteilt, davon neun Mal wegen Körperverletzung. Dabei sieht er ein baden-württembergisches Gefängnis nie für längere Zeit von innen, die Justiz des Musterländles erteilt großzügig eine Bewährungsstrafe nach der anderen. So wird Janez E. 1992 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung. In dieser Zeit schlägt er wieder zu, weshalb er jetzt einsitzen müsste. Doch E. stellt einen Gnadenantrag, der prompt bewilligt wird. Er kann in Freiheit weitermachen.
1995 verprügelt er in der Singener Diskothek »Top Ten« zusammen mit anderen Türstehern einen Betrunkenen. Als das Opfer am Boden liegt, schneidet einer der Schläger mit einem Messer oder einer Rasierklinge dem Mann in den Hals. Das Opfer belastet bei der Polizei Janez E., widerruft seine Aussage aber vor Gericht. Der Schläger wird freigesprochen. Wie sich später herausstellt, hat Janez E. das Opfer vor der Verhandlung massiv bedroht. Fünf Jahre nach der Tat gibt es eine Wiederaufnahme des Verfahrens. E. wird verurteilt – zu einer schlappen Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
Seine Rockerkarriere startet Janez E. bei den Ghostridern. In den neunziger Jahren gibt es schwarze und gelbe Geisterreiter in Deutschland. Janez E. gehört zur gelben Fraktion. Als die Ghostrider 1999 zu den Bandidos wechseln, zieht er mit. Allerdings fliegt er bei den Banditen im Streit wieder raus. »Motorradfahren interessiert mich eigentlich nicht. Es geht mir um den Zusammenhalt im Club, um die Bruderschaft«, sagt er im Jahr 2008. Ermittler glauben, dass es das Prestige ist, dessentwegen Janez E. nach seinem Rauswurf unbedingt wieder in die rot-goldene Rockergang zurückkehren will. Zusammen mit ein paar süddeutschen Kumpels zieht er daher 2005 nach Thüringen. Die neuen Bundesländer sind zu der Zeit noch Terra incognita für die großen Clubs. Weder Hells Angels noch Bandidos haben Dependancen in Dresden, Leipzig, Magdeburg, Rostock oder Erfurt.
Janez E. gründet in Weimar eine Abteilung des Motorradclubs Gremium. Ihm schließen sich lokale Rocker kleinerer Vereine, Neonazis und gewöhnliche Kriminelle an. Als sich der wilde Haufen als MC -Platzhirsch etabliert hat, bittet Janez E. 2006 um eine Wiederaufnahme bei den Bandidos. Seine Anfrage löst in der deutschen Clubspitze und bei den beiden Führungsfiguren Peter Maczollek und Leslav Hause erbitterte Diskussionen aus. Die Janez-Gegner wollen niemanden zu ihrem »Bruder« machen, der schon einmal ihr »Bruder« war und sich wenig brüderlich verhalten hat.
E. braucht starke Argumente, doch die hat er. Er würde zwei komplette Clubabteilungen mitbringen, wirbt er. Dutzende Männer stünden hinter ihm, lockt er und prophezeit blühende Bandidos-Landschaften im Osten. Der Club könnte seinen Einflussbereich bis in die thüringische Provinz ausdehnen.
Der Bittsteller erwischt einen günstigen Moment. 2006 fühlen sich die Banditen bedroht und gedemütigt. Im norddeutschen Stuhr haben Hells Angels im März die Bremer Bandidos brutal zusammengeschlagen und so das Ende des Chapters erzwungen. Für die gesamte Bande ist das eine deprimierende Niederlage – in so einer Situation will sie sich verstärken, aufrüsten und zurückschlagen.
Generell streben Motorradbanden wie die Bandidos danach, ständig zu expandieren. So wie beim Deutschen Fußballbund, der CDU oder bei Greenpeace hängen Macht und Einfluss einer Organisation wesentlich von der Anzahl der zahlenden Mitglieder ab. Laut Clubsatzung zahlt jedes Mitglied monatlich 47 Euro in die Nationalkasse der deutschen Bandidos-Führung.
Mitte 2006
Weitere Kostenlose Bücher