Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
genehmigen die westdeutschen Bosse die Wiedervereinigung mit Janez E. Der einst Verstoßene wird Aufbau-Ost-Beauftragter in Thüringen. Die Dependance heißt offiziell Bandidos »Jena«, ihr Vereinsheim liegt aber in Weimar. Die Rockerbande wird Geschichte schreiben – Kriminalitätsgeschichte.
Zu den wichtigsten Mitstreitern von Janez E. gehört der ebenfalls aus dem süddeutschen Singen stammende Domenico »Memo« M., 28. Der Elektriker war Zeitsoldat bei der Bundeswehr und ist wohl der cleverste im Club, weshalb er zum Vize-Präsidenten aufsteigt.
Als besonders brutal gilt Rafael »Rafa« H., der zum »Sergeant at Arms« (Waffenmeister) berufen wird und unter anderem die Einhaltung der Clubregeln zu überwachen hat. Allerdings bekommt er sich selbst nicht in den Griff: Der in Polen geborene und in Baden-Württemberg aufgewachsene Zimmermann rastet schnell aus. Bei einer früheren Kirmesschlägerei tritt er auf einen Kontrahenten ein, obwohl der bereits von der Polizei gefesselt am Boden liegt. Bei einer weiteren Prügelei durchtrennt er seinem Gegner mit einem abgebrochenen Glas den Kiefermuskel und die Speicheldrüse. Jetzt aber komplettiert »Rafa« das Führungstrio der Bandidos »Jena«.
Die West-Häuptlinge und die einheimischen Kriminellen terrorisieren in der Folge Bevölkerung und Touristen der Kulturstadt Weimar. Sie knattern auf ihren Harleys ohne Helm viel zu schnell durch die Straßen, arrogant und gewaltbereit bewegen sie sich wie weiße Kolonialherren im Afrika des 19. Jahrhunderts.
Als Domenico »Memo« M. sich im Straßenverkehr von einem Autofahrer geschnitten fühlt, passt er den Mann auf einer Tankstelle ab und zieht ihm einen Gummihammer über den Schädel. Ein anderes Mal stoppt »Memo« gemeinsam mit Janez E. ein Auto, in dem sich ein verängstigter Bürger eingeschlossen hat. Die Rocker rütteln an dem Wagen, Janez E. tritt den Außenspiegel ab. Der Anlass bleibt unklar.
Ähnlich wie einst die Dichter Schiller und Goethe befindet sich der junge Bandidos-Club anscheinend in einer Sturm-und-Drang-Phase – mit ernsthaften Konsequenzen für die körperliche Unversehrtheit von Unschuldigen. In der Weimarer Diskothek »Locca« sticht Rafael H. im November 2007 einen Gegner ins Bein und brüllt: »Da, wo ich herkomme, steche ich dir das Messer in den Arsch.« Ein Jahr später streiten »Rafa« und Vize »Memo« an der Bar des »Locca« mit zwei Männern. »Rafa« sticht zuerst zu, seine Opfer flüchten. Vor dem »Locca« holt der Gewaltrocker einen der Rivalen ein und zieht ihm die Messerklinge quer durch das Gesicht, von einem Ohr bis zum anderen. Zwei Monate nach diesem Vorfall haben die Bandidos erneut Stress mit Barbesuchern, dieses Mal im »Cascada« direkt am Nationaltheater in der Innenstadt. Clubmitglied Jörg M. – Szenename »Two Cycles« – sticht dreimal mit dem Messer zu. Die Staatsanwaltschaft wertet den Angriff als versuchten Mord.
Ihren Ruf als skrupelloses Rollkommando wollen die Männer um Janez E. offensichtlich zu Geld machen. Ende 2006 bestellen die Rocker einen Tattoostudio-Betreiber zu sich ins Clubheim. Janez E. eröffnet dem Geschäftsmann, dass er seinen Laden kaufen wolle. Der Mann könne als Angestellter weiterarbeiten. Außerdem sollen die Sätze gefallen sein: »Mit uns im Rücken geht es dir besser. Außerdem kannst du ruhiger schlafen.«
Der Mann knickt aber nicht ein, auch nicht als ihm die Bandidos bei einer zufälligen Begegnung am Weimarer Kino drohen: »Wir haben dich nicht vergessen.« Anfang 2007 brennt das Auto des Tattoostudio-Betreibers. Eindeutig Brandstiftung. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Bandidos einen Konkurrenten loswerden wollen, denn ein Clubbruder betreibt ebenfalls ein Studio in der Stadt. Von einem seriösen Übernahmeangebot, das die Rocker dem Tätowierer gemacht haben könnten, gehen die erfahrenen Ermittler in diesem Fall eher nicht aus.
Die Staatsanwaltschaft Gera, zuständig für Organisierte Kriminalität in Thüringen, klagt Janez E. und Domenico »Memo« M. daher wegen mutmaßlicher räuberischer Erpressung an. Doch das Landgericht Erfurt folgt dieser Argumentation nicht. Für die Richter hätte das Kaufangebot tatsächlich ernst gemeint und somit Teil von Verhandlungen zwischen seriösen Geschäftsleuten sein können: Freispruch.
Auch die Türsteherszene gerät durch die Rocker-Dominanz unter Druck. Nach Aussage eines Zeugen bestellen die Bandidos alle lokalen Security-Unternehmer zu einem Termin ins
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