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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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wieder als Gruppe. Mark Murray hatte vor einiger Zeit in einer Kiste einen alten Bilderrahmen gefunden und ihn in die Garage gebracht. Al Penny, der inzwischen als inoffizieller Kurator all der Zeitungsausschnitte und Vernehmungsprotokolle fungierte, hatte das Foto von Lucy aus The Press in diesen Rahmen gesteckt. Wir legten ein Tischtuch mit Quasten über die Werkbank an der Hinterwand der Garage, es hing bis auf den Betonboden. Der Rahmen war mit Blattgold überzogen und hatte sein Glas noch. Lucy lächelte uns daraus zu. Ihre Silbertrophäe stellten wir neben das Foto. Über der Werkbank hatten wir die sauber ausgeschnittenen Zeitungsartikel mit Reißzwecken an die unverputzte Wand geheftet.
    Pete Marshalls Worte ließen uns schuldbewußt die Augen senken. »Das sind wir Lucy schuldig«, wiederholte er. Er hatte recht. Also stellten wir gemeinsam eine Liste Verdächtiger zusammen. Jungs, mit denen sich Lucy vielleicht getroffen hatte und die unserer Meinung nach dazu imstande gewesen wären, sie später umzubringen. Im Gegensatz zur Polizei waren wir nicht durch das Fehlen jeglicher Beweise eingeschränkt oder gar durch das Bemühen um Objektivität. Die feinste Verbindung zu Lucy, das Flüstern eines Gerüchts, eine Ahnung oder ein pures Vorurteil genügten schon, damit ein Name auf die Liste kam. Sie wurden heimlich fotografiert, und ihre Köpfe hingen schon bald in Jims Garage, an der sogenannten »Boyfriend-Wand«.
    Sämtliche Porträts wurden von Al Penny aufgenommen, mit einer gebrauchten Kamera, die er in diesem Jahr zum Geburtstag bekommen hatte, einer Pentax ME Super. Al wurde rasch ziemlich gut darin, Aufnahmen zu machen, die mit unserem Fall zu tun hatten. Die Kamera hatte kein Zoomobjektiv, aber Al hatte ein sicheres Gespür dafür, wann der richtige Moment war, wann alles paßte. Und er hatte die Geschicklichkeit eines schüchternen Jungen, nahe dran zu sein, ohne wahrgenommen zu werden.
    Ende März hingen schon neun Fotos an unserer Wand. Alle Jungs stammten aus New Brighton, alle hatten ungefähr Lucys Alter, und außer einem waren alle bis vor kurzem in unsere Schule gegangen. Zum Glück wohnten sie alle noch bei ihren Eltern, so daß wir sie leicht ausspionieren konnten. Sie wurden durch Busfenster fotografiert, oder wenn sie aus Autos stiegen. Al erwischte sie an Straßenecken oder durch die Fenster ihrer Häuser, während sie mit der Familie beim Abendessen saßen. Mehrere wurden am Strand fotografiert, beim Surfen oder Schwimmen, einer, als er in einem Liegestuhl hinter seinem Haus döste.
    Im Rückblick erkennt man, daß wir wenig Phantasie aufbrachten, was mögliche Verdächtige anlangte. Ausnahmslos handelte es sich um gutaussehende junge Männer. Häufig sehr gute Cricket- oder Rugbyspieler. Unsere Überlegung dabei war: Wenn Lucy mit jemandem gegangen war, warum dann nicht mit einem von diesen Jungs? Nur Matt Templeton argumentierte, daß unsere Auswahl mangelhaft war. Mädchen, und zwar alle Mädchen, standen auf Außenseiter, Einzelgänger, Typen wie Han Solo. Um seine These zu illustrieren, hatte er ein Plakat von einer seiner älteren Schwestern, Mary-Rose, mitgebracht. Es zeigte James Dean auf einem Gehweg im Regen. Er sah cool und hart aus, doch ein bißchen zerzaust, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Und ein wenig einsam. »Das ist es, worauf alle Mädchen heiß sind«, stellte Matt fest. Das interessierte uns natürlich. Wegen seiner Schwestern kannte er sich auf diesem Gebiet weit besser aus als wir. Hier gab es Informationen wenn schon nicht aus erster Hand, so doch immerhin aus berufenem Munde.
    Auf Matts Empfehlung hin nahmen wir Steve Weldon in unsere Liste auf. Steve war in Lucys Klasse gewesen, war aber zu Beginn des 13. Schuljahrs abgegangen, was eine ganze Lawine an Kontroversen und Spekulationen auslöste. Die Schule rang sich nie zu einer Verlautbarung durch, weshalb man Steve »relegiert« hatte, und es schwirrten jede Menge wilde Gerüchte herum. Ob er wirklich seinen Spindschlüssel benutzt hatte, um ein schartiges FUCK in die Seite des orangenen Datsun des Schulleiters zu kratzen, bleibt im Ungewissen. Es war auch nur vielleicht Steve, der zwanzig zum Tode verdammte Frösche aus dem Biologiesaal in den Raum über der abgehängten Decke entließ. (Ihr dankbares Quaken war wochenlang zu hören, sogar noch in weit entfernten Klassenzimmern.) Ob es nun wegen eines dieser eher harmlosen Protestakte geschah oder wegen etwas völlig anderem, klar war

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