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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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eben geduscht. Sie stellte den Abfallsack an die Straße, und ohne sich umzusehen, ging sie wieder hinein.
    Wir begannen zu erkennen, daß Detektivarbeit meistens langweilig ist. Es geht nur darum, über einen möglichst langen Zeitraum selbst die kleinsten Details zu sammeln. Die Fakten sammeln sich wie Staub auf dem Fensterbrett, bis man genügend hat, um sehen zu können. Zwei Wochen lang saßen wir jeden Tag nach der Schule im niedergetretenen Gras, jeweils in Schichten von zwei Stunden. Manchmal allein, manchmal kamen einer oder mehrere der anderen dazu, weil sie nichts Besseres zu tun hatten. Wir lasen Comics oder spielten Backgammon. Pete hatte von seinem Bruder Tony, der inzwischen bei der Marine war, zu Weihnachten ein Backgammonspiel geschickt bekommen. Tony hatte es in Sydney gekauft, als sein Schiff bei gemeinsamen Manövern von Australien und Neuseeland dort ankerte.
    Schließlich erkannten wir das Muster in Amys Tagesablauf. Von Montag bis Freitag empfing sie ab 20 Uhr Kunden. Vermutlich lagen Jake und Zach dann schon im Bett, erschöpft davon, die Nachbarschaft zu terrorisieren. Wahrscheinlich begegneten sie den Männern nie, die ihre Mutter besuchten. Meistens kam nur ein Freier pro Abend, selten auch mal zwei. Manchmal kam gar keiner, und das Licht in Amys Schlafzimmer wurde früh gelöscht.
    Ende der zweiten Woche waren wir gelangweilt und bereit aufzugeben. Das einzige, was eventuell beweiskräftig sein könnte, war eine Liste mit Autokennzeichen. Die Männer, die kamen, waren zumeist in mittlerem Alter und sahen völlig normal aus. Keine Mördervisagen, keine nächtlichen Schreie. Mark Murray fragte: »Wie zum Teufel sieht ein Sexualverbrecher denn wohl aus?« Wir kamen uns allmählich blöd vor, daß wir je gedacht hatten, wir könnten durch die Beobachtung Amys irgendwas rausfinden.
    Es war Freitag, und wir hatten einstimmig beschlossen, daß dies der letzte Abend neben Amys Haus sein sollte. Tug Gardiner und Jase Harbidge saßen auf dem Beobachtungsposten. Tug dachte erst, Bill Harbidge mußte aus polizeilichen Gründen gekommen sein. Aber Jases Vater trug keine Uniform, und es war kein Streifenwagen zu sehen. Tatsächlich schien er zu Fuß unterwegs zu sein, er kam aus den Dünen.
    »Seine Haare waren ordentlich gekämmt, und das Old Spice konnte man bis zu uns riechen«, sagte Tug.
    Jase erstarrte, berichtete Tug, und fuhr wortlos mit seinem Fahrrad davon, kaum daß sein Vater das Haus betreten hatte. Es hatte nichts mit Ehebruch zu tun, denn nichts deutete darauf hin, daß Jases Mutter zu ihrem Mann zurückkehren würde. Nichtsdestotrotz wußten wir, daß es für Jase eine Demütigung war. Darüber hinaus verstörte es uns alle. Wenn Jases Vater, immerhin ein Polizist, von einer inneren Spannung an Amy Trousedales Tür getrieben worden war, konnten dieselben Gefühle sich dann nicht auch in den Vätern von uns anderen regen? Wer sagte uns denn, daß unsere Väter nicht auch von Zeit zu Zeit wegfuhren, angeblich um irgendeine Besorgung zu machen, in Wirklichkeit aber in der Gegend von Amys Haus das Familienauto parkten, um die letzten Meter zu ihrer Tür zu Fuß zurückzulegen?
    Das war das letzte Mal, daß wir Amy beobachteten. Ohne darüber zu reden, war uns allen klar, daß es besser war, manches nicht zu genau zu wissen. Wir vermieden es nun sogar, abends an ihrem Haus vorbeizugehen, um bloß nicht etwas sehen zu müssen, was wir nicht sehen wollten. Wir sprachen nie darüber, daß wir Bill Harbidge da gesehen hatten, und nicht nur aus Rücksicht auf Jase. Da stand mehr auf dem Spiel als die Gefühle eines Freundes. Wir hatten die Erfahrung gemacht, daß es überall um uns herum dunkle Orte gab, die man besser in Ruhe ließ.

Vier
    Der März brachte den ersten Regen des Jahres. Vier Tage lang, Mittwoch bis Samstag der ersten Märzwoche, regnete es praktisch ununterbrochen. Das variierte zwischen windgepeitschtem Sprühregen und schweren Tropfen, die kleine Krater im Sand hinterließen. Am Ende dieser Woche hatten die Dünen das welke Gelb des Sommers verloren. Sie zeigten nun einen Hauch von Grün, an den wir uns vom letzten Frühling her kaum mehr erinnern konnten. Das Tussockgras stand hoch, und das Eiskraut war nicht mehr weich und schlaff, sondern streckte fette Stengel zum Himmel. Alles war feucht, so daß die Socken unserer Schuluniform bald klatschnaß waren, wenn wir durch die Dünen streiften.
    Der März brachte auch den Seenebel, der vom Pazifik hereinzog. Manchmal hüllte der

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