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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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darüber, wie lange die Ashers ihn wohl noch halten könnten. Ihre Magerkeit war inzwischen mehr als alarmierend. Jeder, der sie sah, erschrak, doch waren das aus Mangel an Kundschaft nicht mehr viele, und sie selbst setzte nie einen Fuß vor die Ladentür. Auch wir waren inzwischen nur noch selten dort: Es vergingen ganze Wochen, ohne daß wir uns dazu durchringen konnten, den Laden zu betreten. Mrs. Asher schien dort fast schon zu spuken. Hin und wieder sah Tug sie wie ein Gespenst hinter den dunklen Scheiben vorbeischweben. Wir fragten uns, ob es möglich war, so dünn zu werden, daß man einfach verschwand, vielleicht vom Ostwind weggeblasen.
    Mr. Asher kümmerte sich nicht mehr um sein Haus. Dachziegel rutschten in die Dachrinne und fielen schließlich ins hohe Unkraut neben dem Haus. Der Rasen wurde nie mehr gemäht. Die Fenster waren trüb von Salz und Sand, es drang noch weniger Licht hindurch. In der korrodierenden Luft warf die Farbe an den Außenwänden Blasen und platzte ab.
    Nimmt man alles zusammen, ging es den Ashers alles andere als gut. Sie kamen mit der Situation nicht zurecht.
Wir gingen auch nicht mehr oft in Tugs Zimmer. Außer dem schleichenden Verfall gab es nichts Neues zu sehen bei den Ashers, und das, was wir sahen, deprimierte uns. Doch wir trafen uns noch immer von Zeit zu Zeit in der Garage der Turners, nach der Schule oder abends, um Poolbillard zu spielen und mit den Hanteln zu hantieren. Auch an einem Sonntag Anfang Mai waren wir dort, als Pete Marshall hereingestürmt kam. Er hatte am Strand eine weitere Entdeckung gemacht. Diesmal war er wirklich bei einem Trainingslauf gewesen. Pete spielte Innendreiviertel in der dritten Mannschaft und lief zwei- bis dreimal pro Woche am Strand, neben dem Training am Mittwoch nach Schulschluß.
    Pete brachte seinen Fund in ein Handtuch gewickelt mit. Wir alle unterbrachen unsere jeweilige Tätigkeit und versammelten uns neugierig um ihn. Er nahm das Handtuch ab. Was zum Vorschein kam, war ein Floß oder vielmehr ein maßstabgetreues Modell eines Floßes aus zusammengebundenem Treibholz. Es hatte einen Mast und eine ziemlich komplizierte Takelage aus Schnur mit einem Segel aus Leinwand, das sich irgendwann fast ganz losgerissen hatte. Was uns zuerst auffiel, war, daß das Floß handwerklich sehr gut gearbeitet war. Es war nicht einfach zusammengestückelt, sondern jemand hatte das Holz sorgfältig ausgewählt und es dann mit großer Geschicklichkeit zusammengesetzt. Das Treibholz war glattgehobelt und an den Enden auf gleiche Länge abgesägt, so daß das Floß rechteckig wurde. Die einzelnen Stücke waren kompliziert verknotet. Der Mast stand senkrecht, und die Takelage machte einen sehr komplexen Eindruck. In der Mitte gab es eine Platte, die durch einen Spalt senkrecht nach unten reichte: Dadurch erhielt das Floß eine größere Stabilität im Wasser und konnte präziser die Richtung halten.
    Auf dem Floß saß eine Puppe. Sie war unter den Armen mit Draht umwickelt und am Mast befestigt. Eine von den Puppen, die Jungs mit Schwestern gut kannten: das Modell mit weichem, schlappem Körper und Plastikkopf. Ihre Augen schlossen sich, wenn man die Puppe hinlegte, und öffneten sich wieder, wenn man sie aufsetzte. Es gab Kleider für sie, doch diese hatte keine an. Sie bestand allein aus ihrem blauen Stoffkörper und dem Plastikkopf mit dem verfilzten blonden Haar.
    »Ich hab’s in der Brandung entdeckt«, sagte Pete.
    Das erklärte Mrs. Murrays Beobachtung, Mr. Asher habe ein Baby bei sich gehabt. Als wir uns an die vielen Puppen erinnerten, die Roy Moynahan in Lucys Zimmer gesehen hatte, fragten wir uns, wie viele davon ihr Vater wohl auf die Reise geschickt hatte. Wir nahmen an, daß Mr. Asher auf eine ruhige Nacht wartete, in der der Wind vom Land kam, damit seine Flöße von ihren Segeln über die Brandung hinausgetragen würden. Die Strömung im Kanal, wenn das Wasser aus der Lagune hinausfloß, würde helfen, sie aufs offene Meer zu transportieren. Dennoch bezweifelten wir, daß eines von ihnen sehr weit gekommen war. Die meisten hatten wohl nur ein paar Kilometer geschafft, bevor sie von der Strömung und dem wieder auf kommenden Ostwind an den Strand zurückgetrieben wurden. Dort hatten sie geendet wie das von Pete gefundene, von den Wellen auf den Strand geworfen, oder sie waren weiter südlich an den Klippen zerschellt.
    Trotzdem ist es über die Jahre immer wieder eine verführerische Vorstellung gewesen, eines der Flöße von Mr. Asher

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