Rocking Horse Road (German Edition)
leise seinen Namen rief, wurde eine Tür von innen ein Stück geöffnet, und Mary-Rose schob sich hinein.
Grant, Pete und Jase warteten eine Zeitlang, aber nichts geschah. Ihnen wurde kalt. Jase gestand später, daß er den Vorschlag machte, den Riegel an der Tür zu schließen und dann abzuwarten, was passieren würde. Grant sagte, er habe eine bessere Idee. Alle drei schlichen sich zur Tür des Lagerraums. Mary-Rose hatte sie hinter sich zugezogen, und Pete mußte die schwere Tür anheben, damit sie nicht auf dem Betonboden kratzte.
Es war fast völlig dunkel. Das letzte Tageslicht drang durch die Ritzen der Lamellentür, und sie konnten gerade noch die Umrisse der beiden Brandungsboote erkennen. Zum Glück hatten sich Brent und Mary-Rose ganz nach hinten verkrochen. Die drei Jungs konnten sie leise flüstern hören. Sie kauerten mucksmäuschenstill auf dem Boden und warteten, bis ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Nach ein paar Minuten machte Grant ein Zeichen, daß Pete und Jase bleiben sollten, wo sie waren, und schlich davon.
Jase und Pete lauschten auf die Geräusche, die aus dem Hintergrund der großen Halle drangen. Mary-Rose hatte aufgehört zu kichern. Es gab nun ein anderes, tieferes Geräusch. Als Pete genauer hinhörte, erkannte er, daß es eine Art Grunzen war, das aus Brents Kehle drang. Pete gestand uns später, daß er sich in diesem Moment höchst unwohl fühlte in seiner Haut. Jeden Moment rechnete er damit, daß ein Gebrüll losbrach und Brent hinter Grant hergejagt käme, wütend wie ein verwundeter Stier. Doch eine ihm unendlich scheinende Zeitspanne lang hörte man nur diese Tierlaute in der Dunkelheit.
Dann tauchte plötzlich Grant neben ihnen auf wie der Geist aus der Flasche. Sie sahen, daß er grinste, seine Zähne schimmerten weiß. Er hielt ein Bündel im Arm. Grant legte einen Finger an die Lippen und gestikulierte. Alle drei schlüpften aus der Tür und kehrten zu ihrem Beobachtungsposten in den Dünen zurück, wo Grant den anderen zeigte, was er erbeutet hatte. Es waren natürlich Brents Kleider, seine Jeans, in denen weiße Boxershorts steckten, und sein Sweatshirt. Socken und Schuhe fehlten. Grant hatte aber auch das Kleid von Mary-Rose. Er hatte gehofft, bestenfalls eine Hose zu kriegen, doch Mary-Rose hatte alle ihre Sachen ordentlich zusammengefaltet und auf den Rand eines Brandungsboots gelegt, nicht weit von der Stelle, wo Brent und sie auf einem Haufen Schwimmwesten lagen. Grant brauchte nur zuzugreifen.
»Hast du was gesehen?«, fragte Jase.
»Nur Cox’ weißen Arsch, der sich auf und ab bewegte.«
Sie warteten und zitterten vor Kälte. Pete sagte, er konnte den Geruch von Mary-Rose in ihrem Kleid riechen, als verströmten die aufgedruckten Blumen diesen Duft. Als Mary-Roses halbe Stunde fast zu Ende war, hörten sie Flüstern aus dem Lagerraum, und Gegenstände wurden verschoben. Brent Cox war deutlich zu verstehen: »Es wäre verdammt gut für dich, wenn du sie bald findest!« In den nächsten Minuten wurde das Flüstern lauter und panischer.
Offenbar fürchtete Mary-Rose mehr, daß ihr Vater ihr Fehlen bemerkte, als die Peinlichkeit. Sie erschien in der Tür, bekleidet nur mit Slip, BH, Socken und Schuhen. Sie schaute sich flüchtig um und trabte dann los, Richtung nach Hause. Brent zischte hinter ihr her, sie solle ihm was zum Anziehen bringen. Aber offensichtlich glaubte er selbst nicht, daß Mary-Rose wiederkäme. Denn auch er erschien in der Tür und rannte in dieselbe Richtung wie Mary-Rose. Bis auf Schuhe und Strümpfe war er völlig nackt und muß entsetzlich gefroren haben. Seine einzige Körperbedeckung war eine Kinderschwimmweste, die er mit beiden Händen vor seine Männlichkeit hielt. Das Haus seiner Eltern lag in derselben Richtung wie das der Templetons, aber mindestens zwei Kilometer weiter entfernt. Vielleicht dachte er, er könnte unterwegs eine Hose von einer Wäscheleine klauen oder Mary-Rose würde ihm etwas zuwerfen, wenn er an ihrem Haus vorbeikam.
Überflüssig zu betonen, daß dies sogar Grants kühnste Erwartungen übertraf. Die drei lachten sich in den Dünen halbtot, als Brent mit seinem orangefarbenen Lendenschurz hinter Mary-Rose herjagte, weit vorgebeugt wie ein Wesen auf einer tieferen Sprosse der Evolutionsleiter.
Dieses Bild bot sich unserer Bürgerpatrouille, als ihr Auto auf den Parkplatz einbog: Ein Mädchen in Unterwäsche wurde von einem nackten Mann verfolgt, der etwas vor seine Lenden hielt. Für eine
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