Rocking Horse Road (German Edition)
hätte, mit zwei oder drei hundeverrückten Kindern, die ihn unter dem Tisch fütterten und zweimal am Tag mit ihm spazierengingen.
Unser einziger Trost lag darin, daß es nach diesem Tag keine weiteren Angriffe auf die Pfuhlschnepfen gab. Nichtsdestotrotz hatten wir ein verdammt schlechtes Gewissen.
Das andere Ereignis, das erwähnt werden sollte, ist das, was die Presse so betitelte: »Die dritte Sexattacke in South Brighton innerhalb von drei Monaten« (The Press, 11. Mai 1981, S. 1). Wenn wir hier schon reinen Tisch machen, dann müssen wir auch mitteilen, was wir darüber wissen.
Einige Wochen lang hatte Matt Templeton Botschaften zwischen seiner Schwester Mary-Rose und einem Jungen namens Brent Cox hin- und hergetragen. 1981 war Mary-Rose eine Klasse über uns, also in der 13. Brent Cox war neunzehn und machte eine Automechanikerlehre in der örtlichen Werkstatt. Wir alle fanden, daß sie sehr gut zusammenpaßten. Beide sahen extrem gut aus und legten jene intellektuelle und soziale Trägheit an den Tag, mit der schöne Menschen oft ganz gut fahren. Ihr Aussehen brachte sie durchs Leben. Das heißt nicht, daß sie unangenehm waren, nein, wir fanden sie nur ein bißchen eingebildet.
Matt verdiente ziemlich gut an Brent. Der Typ schickte eine oder zwei Nachrichten pro Tag an Mary-Rose, und sie trafen sich regelmäßig. Zum Glück war Mr. Templeton von der schwachen Vorstellung seiner Rugbymannschaft abgelenkt. Außer dem Geschichtsunterricht hielt er nun zweimal die Woche Training ab und hatte sein Team rund um die Uhr auf Zack. Die Spieler haßten das, aber für Matts Schwestern war es ein Geschenk des Himmels. Die langen Sommerferien, in denen ihr Vater im Haus rumhing, waren die Hölle für sie. Und nach der Attacke auf die Freundin ihrer Schwester war es noch schlimmer geworden – und nun wütete auch noch der Familienzwist über die bevorstehende Springbok-Tour.
Aber die Templeton-Mädchen kamen mit sehr viel mehr durch in diesem Winter. Matts Mutter war ziemlich leicht zu hintergehen, und das saisonunabhängig. Mit sieben Kindern im Haus wirkte Mrs. Templeton stets ein bißchen verwirrt, wie ein Überlebender der Grabenkämpfe des Ersten Weltkriegs.
Eines Abends erzählte Matt einigen von uns in der Garage der Turners, daß Mary-Rose sich nach dem Abendessen heimlich mit Brent Cox im Surfclub traf, er lag nur ein paar Minuten vom Haus der Templetons entfernt. Mary-Rose erklärte ihren Eltern, sie müsse in ihr Zimmer, um Hausaufgaben zu machen, und stahl sich aus dem Fenster davon. Sie blieb immer nur eine halbe Stunde weg. Matt oder ihre Schwestern deckten sie, falls es notwendig wurde. Aber mit so vielen Menschen im Haus war es eher unwahrscheinlich, daß es auffiel, wenn einer fehlte – zumindest nicht für kurze Zeit.
Ein paar Abende später wußten Grant Webb, Pete Marshall und Jase Harbidge nicht recht, was sie tun sollten, und gingen zum Surfclub. Sie kampierten an einem günstigen Platz in den Dünen und warteten. Sie hatten durchaus unterschiedliche Beweggründe. Wir alle hatten unsere Vorstellungen davon, was Mary-Rose und Brent im Surfclub machten, und der Gedanke, sie dabei zu beobachten, verursachte uns ein Kribbeln in der Magengrube. Grant hatte einen anderen Grund, dort zu sein. Er war Anfang der 9. Klasse von Brent und ein paar seiner Kumpels ziemlich rumgeschubst worden. Es war nichts Schlimmes, nur das ganz gewöhnliche Piesacken, das nach ein paar Wochen auch schon wieder vorbei war, aber der Wunsch nach Rache steckte Grant zweifellos noch in den Knochen.
Etwa eine halbe Stunde nachdem sie ihren Beobachtungsposten eingenommen hatten, tauchte Mary-Rose auf. Sie ging unter beiden Laternen des Parkplatzes vorbei. Sie schaute sich verstohlen um, während sie den großen Platz rasch überquerte. Später sagte Jase: »So, wie die sich benahm, hätte sogar ein Blinder Verdacht geschöpft.«
Der Surfclub hat zwei Stockwerke: Unterhalb der großen Halle, wo die Rettungsschwimmer rumhängen, befindet sich ein Lagerraum, wo die beiden Brandungsboote, die Surf-Ski und die ganze andere Ausrüstung auf bewahrt werden. Um das alles rausund reinzubringen, gab es zwei Türen, die auf Schienen nach außen aufgingen. Jetzt ist da längst ein Rolltor aus Stahl, aber damals hatten die Türen noch Holzlamellen. Normalerweise waren die Türen mit Riegeln oben und unten gesichert und mit einem Vorhängeschloß verschlossen, aber offenbar besaß Brent Cox einen Schlüssel. Als Mary-Rose klopfte und
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