Rocking Horse Road (German Edition)
verschwand.
Die Patrouille fuhr die Marine Parade auf und ab, bis zum Einkaufszentrum, sah aber nichts Verdächtiges. Schließlich riefen sie doch noch die Polizei an. Jase Harbidges Vater bekam die ganze Geschichte von seinen Polizeikollegen erzählt, und so hörten wiederum wir durch Jase die Version der Polizei. Zwei Spürhunde wurden eingesetzt. Die Hunde schlugen bei einem Stapel von Schwimmwesten im Lagerraum unter dem Surfclub an. Offenbar war dort eingebrochen worden.
Die Hunde folgten der Spur auf den Strand und in die Dünen, wo die Polizei entdeckte, daß sich der Verdächtige unter hastig abgerissenen Lupinenstengeln versteckt hatte. Von da konnten ihn die Hunde noch zum Surfclub zurückverfolgen, doch da riß die Spur ab. Er schien von dort ein Fahrzeug benutzt zu haben (Pete erinnerte sich, daß er Brents abgeschlossenes Fahrrad nahe der Außendusche gesehen hatte).
Aus der Sicht der Polizei bestand das eigentliche Rätsel darin, wer das dritte Opfer gewesen war. Mr. Turner und die anderen Männer der Patrouille hatten das in Unterwäsche fliehende Mädchen nicht identifizieren können. Nach ein paar Bieren im Empire schwärmte Mr. Erickson von dem »süßesten Arsch, von dem man nur träumen kann«. Zum Glück für Mary-Rose konnte er alles andere weit weniger präzise beschreiben.
Die Schlagzeile von The Press am nächsten Morgen lautete:
»Sexattacken in New Brighton gehen weiter.« Der Artikel darunter erklärte, daß »Experten behaupten, es sei keineswegs ungewöhnlich für Opfer von Vergewaltigungen und sexuellen Attacken, sich nicht sofort zu melden. Die Opfer schämen sich oft für das, was passiert ist. Einige haben sogar Schuldgefühle. Die Polizei bittet die junge Frau dennoch, sich umgehend mit ihr in Verbindung zu setzen. ›Je früher wir mit der Frau sprechen können, desto wahrscheinlicher ist es, daß wir den Angreifer fassen.‹« (Exponat 78, The Press, 12. Mai 1981)
Der Polizeisprecher lobte auch den Mut der vier Männer, »die den Angreifer von seinem Opfer wegtrieben. Es ist äußerst wahrscheinlich, daß diese Männer ein sehr viel schlimmeres Verbrechen verhindert haben.« Und im Leitartikel ging The Press sogar noch einen Schritt weiter. »Ohne das mutige Eingreifen dieser Männer wäre jetzt vielleicht ein weiteres Mädchen aus New Brighton tot – ein Opfer des Weihnachtsmörders.« In der Woche nach Brent Cox’ Nacktlauf über den Strand erfuhren wir, daß im Fall der versuchten Kindesentführung ein Verdächtiger verhaftet worden war. Die Polizei von Nelson hatte einen Mann verhört, der sich in der Nähe einer Grundschule herumtrieb. Bill Harbidges Kontaktperson in Nelson zufolge waren die Polizisten ziemlich überrascht gewesen, als der Mann bei dem Verhör beinahe ungefragt zugab, Tracy Templeton und Jenny Jones vor ein paar Monaten überfallen zu haben.
Er war Anfang Dreißig, ein Maori namens Wiremu Jones. Bei seinem Geständnis liefen ihm die Tränen über das Gesicht. Er trug noch immer den schmutzigen Hut, an den Tracy sich erinnert hatte. Er sagte, er sei »als guter Christ« erzogen worden, doch jetzt habe ihn »der Teufel gepackt«.
Es gab keinen Grund, Tracy oder Jenny eine Gerichtsverhandlung zuzumuten. Der Kerl hatte gestanden und wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Mit fünfzehn hielten wir drei Jahre für gerecht, das war ein ganzes Leben.
Seit da haben wir die Spur von Wiremu Jones verfolgt, er pendelte regelmäßig zwischen Gefängnis und Freiheit. Ende 1983 kam er raus, doch schon nach sechs Monaten wurde er für die nächsten sieben Jahre eingesperrt, er hatte eine Elf jährige belästigt. 1997 wurde er verhaftet, als er sich vor Schulkindern entblößte, die mit dem Bus von einem Ausflug nach Te Papa zurückkamen. 2000 versuchte er in Dunedin, siebenjährige Zwillinge in sein Auto zu locken. Offenbar hat der Aufenthalt in einer Pralinenschachtel mit Mördern, Dieben und anderen Perversen nicht wesentlich dazu beigetragen, Wiremu das Irrige seines Verhaltens klarzumachen. Oder vielleicht hat ihn einfach immer noch der Teufel in seinen Klauen.
Obwohl er weiß Gott genug auf dem Kerbholz hat, war die Polizei sicher, daß Wiremu Jones nicht Lucy Ashers Mörder war. Er kam ziemlich im Land herum, und gegen Ende Dezember 1980, als Lucy ermordet wurde, lebte er mit einem Cousin an der Ostküste bei Gisborne. Erst einen Monat später kam er wieder auf die Südinsel. Wie so oft hatte unsere Einbildung zwei ähnliche Ereignisse miteinander
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