Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
Vom Netzwerk:
anderen Seite von The Spit am Strand brachen. Aslan, der schwarze Schäferhund gegenüber in Hausnummer 67, hatte sich schon früher als üblich heiser gebellt und schickte nur noch ein Husten in die Nachtluft um seinen Zwinger.
    Wir hatten gewartet, bis alle da sein konnten. Einige von uns hatten ihre Schlafanzüge unter den Kleidern an. Al Penny trug karierte Hausschuhe, die seinem Vater gehörten. Tug Gardiner hatte einen Kapuzenpullover übergestreift, die Kapuze verdeckte fast sein Gesicht, doch wir waren in einer viel zu ernsten Stimmung, um ihn nach dem Grund zu fragen. Die Nachricht von Marks Fund war von einem zum anderen geflogen, von Haus zu Haus wie ein Nachtfalter. Jim hatte bis nach dem Rugbytraining und einem späten Abendessen warten müssen; seine Mutter hatte auch noch versucht, ein ernstes Gespräch mit ihm zu führen. Wir hatten Müdigkeit vorgetäuscht und uns früh in unsere Zimmer zurückgezogen, um durch Hintertüren und Fenster zu entwischen. Der Mond fehlte unentschuldigt, wir huschten durch völlige Finsternis. Wir waren die geheimnisvollen Nachtgeräusche.
    Pete Marshall brach den Bann. Vorsichtig hob er das Notizbuch vom grünen Filz. Vielleicht weil er Lucys Leiche gefunden hatte, meinte er, ein Vorrecht zu haben, vielleicht gar eine Verpflichtung. Das Band widerstand seinen zitternden Fingern eine Zeitlang, doch schließlich hatte er den Knoten auf und warf einen Blick auf die erste Seite von Lucy Ashers Tagebuch. Jim hielt die Taschenlampe höher, so daß der Lichtstrahl über Petes Schulter auf das Papier fiel.
    Auch wenn wir alle das Buch oft in der Hand hatten und seinen Inhalt mehr als einmal in den vielen Jahren seither gelesen haben, ist Pete bis heute der einzige, der es jemals laut vorgelesen hat. So ist er durch dieses Vorlesen sozusagen zu Lucys Stimme geworden. Er las gut, schon von diesem ersten Abend an. Pete wußte instinktiv, daß er weder die Stimme einer jungen Frau imitieren noch in einen dramatischen Ton verfallen durfte. Er sprach den Text neutral, langsam und deutlich, und gerade dadurch konnten wir darin Lucys Stimme hören. Das ganze Drama, das wir brauchten, lag in den Worten selbst.
    Das Tagebuch beginnt an Lucys siebzehntem Geburtstag, dem 29. Mai, sieben Monate vor ihrem Tod. Auf der Innenseite des Einbands steht eine Widmung: Für Lucyloo von Papa. Einem Uneingeweihten mögen diese Details unwichtig, vielleicht gar trivial erscheinen, aber wir waren Teenager, und etwas Riesiges und Mächtiges hatte uns fest im Griff, bewachte uns eifersüchtig. Das ganze Jahr hatte es uns morgens wachgerüttelt und abends wieder ins Bett gebracht. Es murmelte dann aus den Ecken unseres Zimmers, während wir uns im Schlaf herumwarfen. Kurz gesagt: Wir hingen an Petes Lippen.
29. Mai: Mama will mich heute abend nicht mit Sarah und Megan rausgehen lassen!!! Ich soll zu einem Gemeinsamen Abendessen zu Hause bleiben! FAMILIE!!! Sarah sagt, Mama behandelt mich noch immer wie ein Baby, weil ich die Älteste bin und nur eine Schwester habe. Sie darf immer raus, weil sie vier ältere Brüder hat und ihre Eltern zu schlapp sind, sich darum zu kümmern. Ach, wären meine Eltern doch auch Katholiken und keine langweiligen Presbyterianer, die Pariser benutzen dürfen. Ich Pechvogel.
    2. Juni: Hab mir die neue Platte von Bowie gekauft. Super! Davids Haare sehen toll aus auf dem Cover. Immer noch zu kalt zum Schwimmen, kann’s kaum erwarten, daß es endlich wärmer wird. Habe in »Woman’s Weekly« gelesen, daß man von Zitronensaft hellere Haare kriegt. Schmiere mir jetzt jeden Abend Zitronensaft in die Haare, bin aber nicht sicher, ob es funktioniert. Mama wollte wissen, wo die ganzen Zitronen aus dem Laden hingekommen sind. Muß besser aufpassen, wenn ich was mitgehen lasse.
Lucy schrieb nicht jeden Tag in ihr Tagebuch. Viele Seiten blieben aufreizend leer oder enthielten nichts als gedankenlose Kritzeleien; wabernde Labyrinthe ohne einen Weg hinein oder heraus. Pete hielt diese Seiten ins Licht, damit wir sie selbst sehen konnten. An manchen Tagen schrieb sie nur zwei Wörter, »Beschissenes Wetter« ist ein typischer Tagebucheintrag (vom 21. August). Die erste Erwähnung von SJ findet sich am 13. Juni. Habe heute SJ in der Stadt getroffen. Er war allein unterwegs, wollte ein Hemd kaufen. Schon komisch, ihn bei etwas so Stinknormalem zu sehen. Ich sah ihn, bevor er mich sah. Ich wäre fast weitergegangen, bin jetzt aber soooo froh, daß ich’s nicht getan hab. Er hat mich gefragt,

Weitere Kostenlose Bücher