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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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und in unserem raschen Atem. Das Licht flackerte im Glas des Bilderrahmens und im Silber von Lucys Trophäe. Das laufende Mädchen schien sich zu bewegen, sich noch tiefer zu beugen, während sie die Ziellinie überquerte, um danach im Triumph hochzuspringen.
    Es läßt sich nicht feststellen, wer von uns zuerst aus der Garage verschwand, ebensowenig haben wir je gewußt, wer der letzte war. Jeder von uns spürte, wann er zu gehen hatte, wann es hieß, sich von Lucy zu verabschieden und in die Nacht zu entschlüpfen. Tug Gardiner trug noch immer die dunkle Kapuze. Al Pennys zu große Hausschuhe schlurften auf dem Zement. Jim Turner berichtete später, daß er von seinem Zimmer aus durch die Ritzen der Garage die Kerzen noch bis kurz vor Sonnenaufgang habe flackern sehen.
    Man darf mit Sicherheit annehmen, daß keiner von uns in dieser Nacht geschlafen hat. Wie auch? Wir lagen im Bett, in unsere Gedanken verstrickt. Wer von uns hat in dieser Nacht nicht in die dunkle Leere über seinem Bett gestarrt und mit den Einflüsterungen des Meeresrauschens im Ohr versucht, ein Gesicht zu finden für die Initialen SJ?

Sechs
    Den Mai verbrachten wir damit, Lucys Leben unter sämtlichen möglichen Aspekten nochmals zu durchleuchten, in der Hoffnung, einen Hinweis auf die Identität von SJ zu finden. Keiner der Jungs auf unserer Fotowand hatte diese Initialen. Es gab eine Person in unserer Gegend, Steven Jones, aber der war neun Jahre alt und das, was wir damals ein »Mongölchen« nannten. Es gab noch drei andere Stephen in South Brighton und mindestens ein Dutzend Jungen, deren Namen mit diesen Buchstaben begannen. Aber wir wußten, daß wir da nach ganz dünnen Strohhalmen griffen. Es bewies schließlich gar nichts, wenn jemand Stephen oder Stuart, Jamison oder Johnstone hieß.
    Während wir uns darüber die Köpfe zerbrachen, konnte uns dennoch nicht ganz entgehen, daß die Bewegung gegen die Tour der Springboks anschwoll. Sie dominierte die Fernsehnachrichten ebenso wie die Zeitungen. Jemand hatte die glorreiche Idee gehabt, alle, die gegen die Tour seien, sollten ihre Wasserhähne aufdrehen. So wurde es schon bald normal, daß man in öffentlichen Toiletten auf überlaufende Waschbecken stieß, zischende Wasserhähne wurden zum Dauergeräusch zwischen diesen Betonwänden. Auch im Freien wurden Wasserhähne zum Protestzeichen. Überall lief das Wasser. Wir fanden das idiotisch. Was erhoffte man sich denn davon, sämtliche Wasserhähne aufzudrehen? Wir drehten sie ab, wenn wir sie sahen, aber das half nicht viel. Kamen wir wieder vorbei, bot sich das alte Bild: Sie liefen, wenn möglich sogar noch stärker. Schließlich gaben wir auf und ignorierten die Hähne. Das Geräusch fließenden Wassers wurde zur Begleitmusik unserer Tage.
    Eines Abends erschien der Premierminister im Fernsehen und hielt eine Ansprache zur Springbok-Tour. Der Auftritt war lange angekündigt worden, und die Leute waren gespannt, was er zu sagen haben würde. In allen Wohnzimmern liefen die Fernseher. Später erfuhren wir, daß eine Million Neuseeländer die Sondersendung gesehen hatten. Wir wußten, daß unsere Väter Muldoon nicht mochten. Sie nannten ihn Piggy. Piggy Muldoon. Sie hatten seine National Party nicht gewählt, diese Partei der Bauern und Unternehmer. Aber sie saßen auf der Couch und nickten zu seinen Worten.
    »Apartheid – die überwältigende Mehrheit der Neuseeländer ist gegen die Apartheid wie gegen jede Form der Rassendiskriminierung in der Welt. Aber hassen wir darum die Südafrikaner als Menschen? Die Regierung wird die Rugby Union nicht auffordern, die Tour abzusagen. Die Angelegenheit ist nun allein Sache der New Zealand Rugby Union. Und ich sage deren Mitgliedern: Denken Sie gut nach, bevor Sie Ihre Entscheidung treffen.« Die meisten auf The Spit fanden das in Ordnung. Sport war Sport, und Politik war etwas anderes. Muldoon hatte ein gutes Argument ins Feld geführt, als er darauf hinwies, daß Neuseeländer und Südafrikaner im Krieg Seite an Seite gekämpft hatten. Nur Jases Vater schien noch nicht recht überzeugt. Bill Harbidge trank kaum mehr und hatte ziemlich abgenommen. Jase berichtete, daß sein Vater jetzt jeden Abend eine halbe Stunde am Sandsack in der Garage trainierte. Ein paarmal pro Woche kochte er sogar das Abendessen für Jase und seine Schwester. Nach Muldoons Rede schaltete er den Fernseher aus. »Die Rugby Union wird die Tour nicht abblasen.« Er schüttelte den Kopf. »Das wird eine verdammt üble

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