ROD - Die Autobiografie
uneingeschränkt liebe und mächtig stolz auf ihn bin. Und doch gab es da dieses Phänomen, das Jeff Beck von »Hi Ho Silver Lining« her vertraut war: »Es war ein rosaroter Toilettendeckel, der für den Rest des Lebens um meinen Hals hing.« Es gab eine Zeit, zu der ich mich ernsthaft fragte, ob »Da Ya Think I’m Sexy?« mein »Hi Ho Silver Lining« werden würde. Der Unterschied war: Jeff musste man dazu überreden, diesen rosaroten Toilettendeckel zu tragen – gegen seinen Willen –, während ich maßgeblich an der Produktion meines eigenen Toilettendeckels beteiligt war. Ich hatte ihn sogar eigenhändig angemalt, wenn man so will, und ihn dann freiwillig und freudig über meinen Hals gestreift.
Im Vorfeld weiß man nie, wie ein Song aufgenommen wird oder welches Eigenleben er im Laufe der Jahre entwickelt. Als »Da Ya Think I’m Sexy?« veröffentlicht wurde, war allerdings umgehend klar, dass er beim Publikum einschlug. Zwei Millionen Singles wurden in den USA und eine halbe Million in England verkauft, und der Song war in der ganzen Welt ein Hit – selbst an Orten, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte und nicht mal wusste, dass sie dort überhaupt Strom haben. Es war die sich am schnellsten verkaufende Single in der Warner-Geschichte – bis sechs Jahre später Madonna mit »Like A Virgin« aufkreuzte. Warum hätte ich also nicht stolz sein sollen? Als Songschreiber träumt man sein ganzes Leben von diesem Moment, wenn eine eigene Schöpfung die Welt erobert und eine derartig überwältigende Resonanz findet.
Und doch schien ich gleichzeitig einen Teil derjenigen verloren zu haben, die mir bis dahin treu gefolgt waren. Besonders die Fans der Gasoline-Alley -Tage waren enttäuscht – Disco war für sie ein rotes Tuch. Sie konnten meinen Stilwechsel nicht nachvollziehen und unterstellten mir, ich würde dem Erzfeind in die Hände spielen. In jenen Tagen spielten sich in der Musikszene erbitterte Grabenkämpfe ab – in einem Ausmaß, wie man es sich heute (Gott sei Dank) gar nicht mehr vorstellen kann. In den späten Siebzigern gab es Soul, es gab Heavy Metal, es gab Punk und so weiter – und alle Lager hatten ihre beinharten Fans, die mit gezückten Messern aufeinander losgingen. Man konnte sich nicht aus dem Rock-Graben davonschleichen, um mal im Soul-Graben vorbeizuschauen – und wenn’s nur für ein flüchtiges Hallo war –, ohne Gefahr zu laufen, einen Kopf kürzer gemacht zu werden.
Nun hatte ich aber schon immer Stile miteinander vermischt, von Anfang an, auf allen meinen Alben. Ich nahm etwas Rhythm and Blues, ein bisschen Folk, griff mir einen der großen Song-Klassiker, etwas aus dem Rock’n’Roll – und hoffte, dass meine Stimme diese Bestandteile untrennbar zusammenhalten würde. Und im Laufe einer Solokarriere, die nun fast eine Dekade währte, hatte ich für diese Vorgehensweise bisher allenfalls leichte Prügel bezogen. Aber Disco ging einigen Leuten einfach zu weit. Es war das Signal, die schwere Artillerie aufzufahren, vor allem seitens der Musikkritiker, die »Da Ya Think I’m Sexy?« in die Pfanne hauten und als Werk eines peinlichen Selbstdarstellers bezeichneten.
Was sollte ich erwidern? Denn langsam war ich es leid, ständig darauf hinzuweisen, dass der Text in der dritten Person geschrieben war – »She sits alone, waiting for suggestions, he’s so nervous, avoiding all the questions« und so weiter – und dass, wenn er dann im Refrain in die erste Person umschlägt, man die unausgesprochenen Gedanken dieses Jungs und dieses Mädchens hört, die sich einander an die Wäsche wollen, aber nicht wissen, wie sie das anstellen sollen – »If you want my body, and you think I’m sexy …« Ich war es nicht, der Hinz und Kunz fragt, ob er mich nun für sexy hält – hallo, hier wird eine Geschichte erzählt! Aber all das wurde ignoriert. Und mein Management und die Marketingleute unterstützten mich auch nicht gerade, sondern steckten mich in der Anzeigenkampagne für die Single in die ganze Spandex-Herrlichkeit und schrieben dann »Da Ya Think I’m Sexy?« drunter. Weiß der Himmel, wie viele männliche Fans sich damals so abgetörnt fühlten, dass sie meine Alben lieber gleich hinterm Schrank versteckten.
Die ganze Geschichte wurde nur noch unappetitlicher, als sich ein brasilianischer Musiker namens Jorge Ben (der sich heute Jorge Ben Jor nennt, angeblich weil seine Honorare einmal fälschlicherweise an den amerikanischen Gitarristen George Benson überwiesen
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