ROD - Die Autobiografie
fertiggestellt war, konnte der Song – nachdem Arnold bei Warner Bros. vorstellig geworden war – noch in letzter Sekunde auf der Compilation Storyteller untergebracht werden, einem Boxset mit dem Überblick über meine bescheidene Karriere (das übrigens immer noch bei jedem gut sortierten Schallplattenhändler zu erstehen ist). Ich landete einen Hit – Top Ten in Großbritannien und Nummer 3 in den Billboard -Charts – und abermals auf dem Titel des Rolling Stone . Doch wichtiger als das alles war, dass einige Leute wieder daran erinnert wurden, wer ich war und wozu ich in der Lage bin – einige Leute, die das vielleicht einmal gewusst, aber dann vergessen oder es verdrängt und sich von mir abgewandt hatten. Und nicht zuletzt erinnerte es auch mich daran, wozu ich in der Lage bin.
Kaum ein Teilaspekt des Geschäfts, in dem ich mich bewege, ging mir über kurz oder lang nicht zumindest leicht auf die Nerven. Songschreiben, Aufnehmen, Videodrehs, Promotion – es gab Phasen, in denen ich wenig Spaß daran hatte und mir alles als schwere Bürde erschien. Es ist wie in jedem Beruf: Manchmal schmeckt dir die Arbeit einfach nicht.
Aber live aufzutreten? Damit hatte ich nie ein Problem.
Seit ich die Anfangsnervosität und Hemmungen meiner Rockband-Lehrjahre in den Sechzigern abgelegt hatte und hinter den Verstärkern hervorgekommen war, gab es, glaube ich, keine einzige Gelegenheit, bei der mich der Gedanke, mich mit einer lauten Band im Rücken vor Publikum auf eine Bühne zu stellen, nicht mit der reinsten Begeisterung erfüllt hätte. Egal wie es auch sonst um meine Konzentration und mein Engagement in den Achtzigern stand, an meiner Einstellung zum Touren hatte sich nichts geändert. 1985 wurde ich vierzig, aber vielleicht um mich unterbewusst dagegen zu wehren, stürzte ich mich hemmungsloser denn je in meine Auftritte und rannte über die Bühnen wie ein Wahnsinniger. Mir gefällt die Vorstellung, das viele Fußballspielen sei für die Knorpelruinen zwischen meinen Oberschenkeln und den Schienbeinen verantwortlich, aber wenn ich mir Aufnahmen aus den Achtzigern ansehe, wird mir klar, dass der meiste Schaden wohl daher stammt, dass ich in den Megastadien dieser Welt auf Knien über die Bühne gerutscht bin.
Weiterhin möchte ich betonen, dass meine Lust aufzutreten nie künstlich stimuliert werden musste. Die Crew sorgte dafür, dass zwischen dem Ende des Sets und den Zugaben hinter der Bühne immer das eine oder andere wiederbelebende Pülverchen für mich bereitlag, das zusammen mit dem Adrenalinausstoß, den mir ein erfolgreicher Auftritt bescherte, eine unglaublich angenehme Euphorie auslöste. Für mich war es wie eine Belohnung: Gut gemacht, nimm mal ’ne kleine Nase. Aber vor einer Show musste ich nie etwas nehmen, um mich in Stimmung zu bringen – dazu reichte die Aussicht, dass da draußen ein Publikum auf mich wartete.
Im Verlauf der Show Kokain nachzuladen war wohl zu jener Zeit eine weit verbreitete Praxis unter den Musikern meiner Band, obwohl Patrick »Boiler« Logue sein Bestes gab, diesen Vorgang zu erschweren. Gestattet mir, etwas Hintergrundinformation nachzureichen: Boiler war Mitte der Siebziger als Gitarrentechniker zu unserer Crew gestoßen und hatte sich innerhalb kürzester Zeit nicht nur als Meister seines Fachs, sondern auch als Verfechter des unerwarteten Blankziehens in der Öffentlichkeit entpuppt. Die Musiker kamen an den Bühnenrand, um ihre Instrumente zu wechseln, wo ihnen der völlig nackte Boiler ihre Gitarre entgegenstreckte. Und wer es miterlebt hat, wird schwerlich den Anblick vergessen, wie Boiler einmal nackt huckepack auf dem Rücken des Tourmanagers Peter Mackay aus der Herrentoilette einer Cocktaillounge in Tokio herausgeritten kam. Der Spaß galt dem Amüsement der Band – die einzigen Gäste, als Boiler sich auf die Toilette verabschiedete. Viel zu spät fiel ihm auf, dass sich mittlerweile eine größere Gruppe von japanischen Geschäftsmännern zu ihnen gesellt hatte.
Als er zum Stage-Manager aufgestiegen war, vergrößerte sich Boilers Einflussbereich zwangsläufig. Nun konnte er seinen Nudismus viel weiter auf den Backstage-Bereich ausdehnen und nebenbei allerlei altbewährte Streiche in die Tat umsetzen: Erdnüsse in Harmonikas verstecken, Akkordeons mit Talkumpuder füllen und die Unterseiten der Orgeltasten so zusammenkleben, dass beim Druck auf eine Taste alle Töne auf einmal erschallten.
Wenn es aber darum ging, Bandmitglieder bei der Einnahme
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