ROD - Die Autobiografie
kicken, und bin als betrunkener und überglücklicher Zuschauer über den Zaun geklettert und auf das Feld gerannt, aber nun durfte ich an einem Ende des Stadions stehen und miterleben, wie mir 66 000 Menschen im strömenden Regen entgegenjubelten. Das war für mich das Beste, was je auf diesem Rasen passiert ist – Schottlands bahnbrechenden Sieg über England von 1977 mit eingerechnet. Na ja, doch eher vielleicht knapp dahinter.
Noch etwas Wunderbares hatte das Konzert in Wembley: Sarah, die Tochter, die ich seinerzeit zur Adoption freigegeben hatte, kam als mein Special Guest backstage und zur Party danach. 1985 hatte sie erneut Kontakt zu mir gesucht, und wir hatten uns privat zum Tee getroffen. Dieses Mal waren wir in der Lage gewesen, uns offen und ehrlich zu unterhalten. Wir vergaßen unsere erste unbeholfene Begegnung im Plattenstudio in Los Angeles und fingen noch mal von vorne an. Beide wussten wir, dass wir nie ein normales Vater-Tochter-Verhältnis haben würden: Ich habe sie nicht großgezogen, ihr nicht die Windeln gewechselt oder sie zur Schule gebracht, ihr nicht bei den Hausaufgaben geholfen und nicht mit ihr gespielt. Ich war nicht dabei, als sie ihren ersten Freund mit nach Hause brachte. Diese väterliche Bindung war nicht vorhanden, und selbst mit aller Anstrengung lässt sich das nicht aus dem Nichts heraufbeschwören. Aber wir stehen uns nahe, und unsere Verbindung wurde noch enger, als 2007 ihre Adoptivmutter Evelyn starb. Aber an jenem Abend des Jahres 1986 fühlte es sich ganz besonders gut an, sie den Leuten vorzustellen und sagen zu können: »Das ist meine älteste Tochter.«
Dass ich mit solch großer Begeisterung auf Tour ging, war schön und gut, andererseits erwuchs mir daraus im Verlauf der Achtzigerjahre auch meine größte Sorge: Nämlich, ob meine Stimme auch weiterhin in der Lage sein würde, meinen Enthusiasmus zu teilen. Mindestens die Hälfte des Jahres on the road zu verbringen gehörte für mich einfach dazu, war Teil meines Lebens. Langsam, aber sicher forderte dieses Leben jedoch von meinen Stimmbändern – diesen sensiblen kleinen Dingerchen – seinen Tribut. Wenn die nicht mehr mitspielten, dann war ich wirklich am Arsch. Was sollte ich tun? Die Band spielte immer so laut. Irgendwie waren wir ja stolz darauf: je lauter, desto besser. Auch das habe ich vermutlich »Da Ya Think I’m Sexy?« zu verdanken. So als Gegenreaktion: Jetzt zeigen wir ihnen mal, dass wir keine Disco-Weicheier sind, sondern eine verdammt laute, waschechte Rock’n’Roll-Band. Nacht für Nacht zwang ich meine Stimme, bei dieser Lautstärke mitzuhalten, und nach jeder Show plagte mich für gewöhnlich eine Halsentzündung. Am nächsten Tag fühlte ich mich, als hätte ich mit Stacheldraht gegurgelt. Und dann war es bald schon wieder sechs Uhr, zwei Stunden noch bis zum Konzert, und ich hatte nach wie vor keine Stimme.
Die Lösung meines Problems war keine besonders gesunde: Ich begann Steroide zu nehmen. Prednison-Tabletten, um genau zu sein. Anfangs nahm ich sie gelegentlich ein, aber Ende der Achtziger war ich auf dem besten Weg, süchtig danach zu werden.
Steroide machen dich hungrig, halten dich wach, dein Gesicht schwemmt auf …, doch singen kannst du wie ein Vögelchen. Also waren sie gut für mich. Nein, waren sie nicht. Und es sollte bald noch schlimmer kommen.
Zeitlupenartig steuerte meine Beziehung mit Kelly währenddessen immer näher auf ihr Ende zu. Meine auf unserem Trip nach Spanien gefassten Vorsätze verflüchtigten sich nach und nach, ebenso wie meine Hingabe. Als Kelly schwanger war, traf ich mich mit einem anderen Model. So verhält sich nur ein Arschloch, das muss man in aller Deutlichkeit sagen. Bei dieser Affäre ging es einzig und allein um Sex, nichts weiter. Aber ich schlich mich immer wieder zu ihr hin. Unentschuldbares Verhalten. Eines Tages rief das Model bei uns zu Hause an, und Kelly, damals im achten Monat, ging ans Telefon. Ich hörte, wie sie sagte: »Hätten Sie nicht wenigstens warten können, bis ich dieses Baby zur Welt gebracht habe?« Anscheinend hatte das Model zu ihr gesagt: »Offensichtlich gebe ich ihm etwas, das Sie ihm nicht geben können.« Es war alles sehr unschön, ein erschreckendes Beispiel dafür, wie schwanzgesteuert ich seinerzeit war. Was ich Kelly damals angetan habe, geht mir immer noch nahe – so sehr, dass ich gezögert habe, es hier zu Papier zu bringen.
Ich glaube, Kelly ging davon aus, dass sie das Kind zur Welt bringen und
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