ROD - Die Autobiografie
Nichts wärmt den Saal besser auf als ein erstklassiger musikalischer Schnitzer, und das wussten die Faces ebenso gut wie alle anderen Bands in der Geschichte. Sie wussten, dass es für das Gemeinschaftsgefühl von zeitlosem Wert ist, wenn einer E-Dur greifen will, sich vertut und stattdessen Fis spielt.
Außerdem war den Faces die Kleidung wichtig, weil wir uns darüber im Klaren waren, dass es an unseren musikalischen Fähigkeiten möglicherweise etwas haperte. Dieses Aufbrezeln, so der dahinterstehende Gedanke, sei ein ganz guter Ablenkungsfaktor. Als es mit den Faces richtig abging, legte auch mein Stil in puncto Extravaganz ordentlich zu; schließlich kam Glam gerade auf. Alle trugen Krepp und Satin, grelle Farben, exotische Drucke, Tücher, Schärpen. Und alle zogen mehrere Schichten übereinander an. Wenn ich mir heute Bühnenfotos der Faces ansehe, kommt es mir vor, als ginge es darum, so viel wie nur irgend möglich am Leib zu haben. Total unpraktisch – und mörderisch heiß wurde einem in diesem Aufzug auch noch. Neunzig Minuten lang hundert Kilo Samt und Satin über die Bühne zu schleppen – das ist harte Arbeit.
Unsere Unsicherheit versuchten wir nicht nur mit Kleidung zu kompensieren, sondern auch mit Alkohol. Die Faces waren schwere Trinker. Alkohol verschaffte einem den nötigen Mut, um schlecht vorbereitet die Bretter zu erklimmen, die die Welt bedeuten. Besonders Schnaps und Wein waren in dieser Hinsicht hilfreich. Hätte man die Energie der Faces in Flaschen abfüllen können … Ach, vergiss es, die Weinsorte Mateus gab es ja bereits. Und wenn die Tische hinter der Bühne von den Flaschen Newcastle Brown und Rum leer gefegt waren und Nachschub nicht ohne Weiteres zu bekommen war, kannten wir eine Methode, sich mit einer einzigen Dose Bier zu betrinken. Und so sieht diese Methode aus, die wir – glaube ich – in einem Motel in Tucson, Arizona, entwickelten:
1.) Schenk ein Schnapsglas voll Bier.
2.) Kipp das Bier.
3.) Warte genau eine Minute.
4.) Schenk nach und wiederhole den Vorgang.
5.) Wiederhole den Vorgang so lange, bis die Dose leer ist.
6.) Fühl dich besoffen.
Allerdings hatte der Alkohol seinen Preis, was sich vor allem bei unseren Plattenaufnahmen bemerkbar machte. Insgesamt brachten wir vier Studioalben heraus – das bereits erwähnte First Step , Long Player und A Nod Is As Good As A Wink … To A Blind Horse , beide 1971, und Ooh La La von 1973 –, von denen uns meiner Meinung nach keines gerecht wurde und jene Energie transportierte, zu der die Band in der Lage war. Bloß, was hatten wir denn erwartet? Die Aufnahmesessions der Faces begannen immer im Pub. Oft genug hielten wir uns länger dort auf als im Studio. Wir glaubten, nichts brächte den kreativen Prozess besser in Fahrt als eine Runde Rum-Cola – außer vielleicht eine weitere Runde Rum-Cola. Besonders wenn die Runde nicht auf dich geht. (Ich hatte die Kunst perfektioniert, als Erster an der Tür der Bar zu sein und sie den anderen aufzuhalten, was es einem normalerweise erspart, die erste Runde zu bezahlen. Sich auf dem Parkplatz niederzuknien, um erst noch seine Schnürsenkel zuzubinden, ist eine weitere Möglichkeit, Geld zu sparen.) Unglücklicherweise entpuppte sich die Rum-Cola-Kreativitätstheorie als Blödsinn. Glyn Johns hatte schon bei den Stones bewiesen, dass er als Produzent die geniale Fähigkeit besaß, den Sound einer Band auf Band zu bannen, und er gab bei uns sein Bestes. Aber zu viele Leute warfen gleichzeitig ihre Ideen in den Ring. Und fast alle davon hatten zu viel Rum-Cola intus.
Auf der Bühne war das allerdings was anderes. Es stimmt schon, dass man bei den Faces in der Lage sein musste, im Liegen zu spielen, doch das hatte nichts mit Trunkenheit zu tun. Zumindest nicht nur. Oft genug gehörte es einfach zu unserer Show, Musiker zu stapeln: Woody ließ sich auf Ronnie fallen, ich lag oben auf Woody, Mac kam hinter seinem Klavier hervor und sprang obendrauf – wir waren der Meinung, es sei keine besonders gute Show, wenn wir am Ende nicht übereinander auf der Bühne lagen.
Wir waren die erste Band, die Fußbälle ins Publikum kickte, was natürlich meine Idee war, und mit Stolz sage ich, dass ich das noch heute mache (und zwar Qualitätsbälle, nicht diesen billigen Plastikmüll). Und wir waren die erste Band, die auf der Bühne eine Bar hatte, samt einem livrierten Kellner, der uns bediente. Es sparte Zeit und Energie, die wir nicht verschwenden wollten, indem wir zur Erfrischung
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