ROD - Die Autobiografie
hatte. (Wobei ich glaube, dass sie den Schlitten klammheimlich durchaus mochte – dieses Gefühl, in einem Zweisitzer zu hocken, den Rausch der Geschwindigkeit, wohl auch die Tatsache, dass alle Passanten sich umdrehten. Und warum auch nicht? Wir waren jung und Spielzeuge wie diese nun mal unwiderstehlich.) Keine drei Monate später hielt ich um ihre Hand an. Es passierte in einem Hotel in New York. Sie war wohl etwas überrascht von meinem Tempo und auch, weil es doch eigentlich so unglaublich kleinbürgerlich war. Heiraten war zur damaligen Zeit nicht gerade angesagt – zumindest nicht in ihren Augen. (Und so war’s denn auch kein Wunder, dass wir es nie bis zur Hochzeit schafften, sondern die ganze Zeit Dauerverlobte blieben.) Nichtsdestotrotz zogen wir drei Monate später zusammen – in ein riesiges Gemäuer in der englischen Countryside.
Praktisch über Nacht – und zum ersten Mal in meinem Leben – verfügte ich plötzlich über regelmäßige, hohe Einkünfte. Es floss sogar so viel Geld, dass mein Steuerberater mir riet, mehr davon unters Volk zu bringen. Konkret empfahl er mir, vielleicht 100 000 Pfund in eine Immobilie zu investieren, weil ich anderenfalls die gleiche Summe dem Finanzamt in die Hand drücken müsse.
Nun ja, wenn er denn wirklich so darauf bestand …
1971 war es allerdings gar nicht so einfach, eine geeignete Immobilie für 100 000 Pfund zu finden – wenn man nicht gleich den Buckingham Palace oder das House of Parliament kaufen wollte. Ich schaffte es nicht ganz, die Messlatte zu erreichen, als ich schließlich für 89 000 Pfund Cranbourne Court erwarb, ein Anwesen aus georgianischer Zeit mit stuckverzierter Fassade westlich von London, ganz in der Nähe von Windsor, wo auch die Queen einen ihrer Landsitze hat. Mir gefiel die Vorstellung, dass Bob Hope einmal in diesem Haus gelebt hatte. Auch Sophia Loren war wohl regelmäßig zu Gast, als sie auf ihren Shopping-Streifzügen bei einem Antiquitätenhändler einkehrte, der damals hier residierte.
Der Besitzer des Anwesens war jedoch Lord Bethell, ein englischer Aristokrat, dem das Schicksal übel mitgespielt hatte. Als er mir und Dee an einem Nachmittag das Haus zeigte, stieß mich Dee verstohlen an und deutete auf seine Hose: Sie war so verschlissen, dass man die gestreifte Unterwäsche durchschimmern sah. Sollte seine Lordschaft Groll gehegt haben, dass er den Familienbesitz nun an einen neureichen, langhaarigen Rockstar und seine Gespielin verhökern musste, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Wahrscheinlich war er heilfroh, endlich einen Käufer für den Kasten gefunden zu haben.
Am 1. Januar 1972, sechs Monate nach unserem ersten Treffen, verließen Dee und ich also mein Pseudo-Tudor-Vier-Schlafzimmerhaus in Winchmore Hill und zogen in das gigantische Gemäuer. Am Eingangstor wurde man von steinernen Adlern auf Säulen begrüßt, gefolgt von einer langen Auffahrt, die von Rhododendronbüschen gesäumt wurde, hinter denen sich knapp sieben Hektar Land mit Gärten und Koppeln verbargen. Von der fast zwölf Meter hohen Eingangshalle wand sich eine riesige Treppe nach oben. Ich war stolz wie Oskar, als ich das Haus meiner Mutter zeigte – doch sie sah mich nur sorgenvoll an.
»Oh, Roddy, wie viel hat das denn alles gekostet?«
»Das willst du gar nicht erst wissen, Mum.«
Letztlich haben meine Eltern nie so recht nachvollziehen können, wie viel ich tatsächlich verdiente. Etliche Jahre später fragte ich einmal meine Mum, was sie sich zu Weihnachten wünsche.
»Lass deiner Fantasie freien Lauf«, forderte ich sie auf. »Ich möchte dir wirklich eine Freude machen.«
Nach langem Überlegen wünschte sie sich einen neuen Brotkasten.
Das Problem bestand nicht darin, Cranbourne Court zu finanzieren, sondern es angemessen auszustatten. Nachdem die Möbelpacker alles abgestellt hatten, füllte die gesamte Einrichtung des alten Hauses nicht mal ein Zimmer des neuen. Was bedeutete, dass fünfunddreißig weitere Räume möbliert werden mussten. Das erwies sich als ein Projekt, das uns die nächsten zweieinhalb Jahre in Atem halten sollte; die vorrangige Aufgabe, in die wir unsere Zeit investierten.
Für das Treppenhaus fanden wir einen Kronleuchter, der so groß wie ein Kleinwagen war. In Antikläden auf der King’s Road stöberten wir nach ledernen Chesterfield-Couchen und samtbezogenen Sofas. Für den Esstisch kauften wir acht hohe Korbsessel mit geschwungenen Schmetterlingsflügeln. Mein Bruder Bob, ein gelernter
Weitere Kostenlose Bücher