ROD - Die Autobiografie
das bizarre Treiben – einschließlich meines weißen Anzugs – mit einem spöttischen Lächeln. Ich stelle mich vor, und die förmliche Vorstellung erweist sich als dringend notwendig: Dee Harrington ist mit einer Freundin erschienen, kommt eigentlich aus England, hat zu den Faces und überhaupt zum Rock’n’Roll keinen Draht – und weiß deshalb auch nicht so recht, wer ich bin. Sie bevorzugt Soul, wie sich später herausstellt; da Soul ebenfalls eine Lieblingsmusik von mir ist, haben wir schnell einen gemeinsamen Nenner gefunden. Als Aretha Franklins »Spanish Harlem« aus den Lautsprechern schallt, frage ich sie, ob sie tanzen möchte. Nach dem Tanz setzen wir uns wieder und reden. Und verlassen den Club und leben für vier Jahre zusammen.
Der Blitz aus heiterem Himmel. Das spontane Gefühl, in den Armen des anderen geborgen zu sein – es ist unmöglich, die Chemie zwischen zwei Menschen aufzudröseln. In unserem Fall funktionierte sie jedenfalls, Knall auf Fall. Dee war einundzwanzig, aus gutem Haus, aufgewachsen im Süden Englands und Tochter eines Royal-Air-Force-Piloten – des Geschwaderkommandanten Harrington, um genau zu sein. Sie hatte als Sekretärin bei einer Londoner Plattenfirma gearbeitet und war nach Los Angeles gekommen, um einen neuen Job zu suchen. Und sie besaß die Attraktivität einer Frau, die sich gar nicht bewusst ist, wie attraktiv sie tatsächlich ist. Kurz bevor ich sie traf, saß sie im Empfangsbereich eines Fotostudios, wo sie auf eine Freundin wartete, die dort gemodelt hatte. Ein Fotograf, der zufällig vorbeikam, bot ihr spontan ein Shooting für den Playboy an. Aber sie hatte noch etwas Geld auf der hohen Kante und wollte vielleicht sogar nach Japan weiterfliegen. Stattdessen landete sie bei mir.
Der Wunsch, allein zu sein – allein zu zweit – stellte sich von der ersten Sekunde an ein. Wir verließen die Party und liefen einfach nur die Straße runter – ohne zu wissen, wo wir uns überhaupt befanden. Einmal hielt ein Streifenwagen an und fragte uns, ob alles okay sei. In L.A. geht nun mal niemand einfach nur auf der Straße spazieren. Doch danke, uns ging’s gut, besser konnte es gar nicht sein. Irgendwie landeten wir auf dem Sunset Boulevard und fanden den Weg zum Whisky a Go Go, wurden jedoch nicht reingelassen, weil Dee nicht wie einundzwanzig aussah und keinen Ausweis dabeihatte. Also spazierten wir weiter zum Beverly Hills Hotel, wo die Band untergebracht war. Als wir dort ankamen, legte Dee gleich Wert auf die Feststellung, dass sie nicht bleiben könne, weil das einfach nicht ihr Ding sei: in einem Club mit einem Rockstar anzubandeln und mit ihm auf sein Zimmer zu gehen. Doch vielleicht … vielleicht ließe es sich ja arrangieren, dass wir dort wirklich nur brav nebeneinander schlafen würden? Und genau das taten wir dann auch.
Vorher holte ich aus meiner Tasche schnell noch das Miniaturmodell meines Lamborghini Miura, das ich damals immer bei mir trug. »Das ist der Wagen, den ich in England fahre«, sagte ich stolz. Bin ich etwa der einzige Mann auf der ganzen Welt, der versucht hat, eine Frau mit einem Spielzeugauto zu verführen? Sie antwortete nur: »Ja, kenn ich. Mit so einem bin ich auch schon mal gefahren.« Was natürlich nicht stimmte, aber sie war wild entschlossen, sich auf keinen Fall beeindrucken zu lassen.
Am nächsten Abend kam sie mit zum Faces-Konzert in Long Beach. Sie fuhr mit mir in der Limo, betrat die Halle durch den Hintereingang und durfte sich vorne an die Seite der Bühne stellen. Als die Bühnenbeleuchtung angeschaltet wurde, sah sie zum ersten Mal die Zuschauermenge, dieses Meer von Menschen, und bekam einen Eindruck, welche Dimensionen unser Ding bereits angenommen hatte. Nach dem Konzert war natürlich auch im Backstage-Bereich die Hölle los. Wir standen an den gegenüberliegenden Enden eines langen Korridors, der mit Groupies und Medienleuten vollgestopft war. Ich gestikulierte wie verrückt, damit die Security-Männer sie doch bitte durch das ganze Volk zu mir brachten. Es war der zweite Eindruck, den sie von diesem Wahnsinn bekam.
Es war ein Wahnsinn, den sie nie mochte, in dem sie nie aufgehen wollte. Was lange Zeit kein Problem war, da wir ohnehin auf einer rosaroten Wolke schwebten, die keinerlei Verbindung zur Außenwelt hatte.
Zurück in London rief ich sie an und verabredete mich in einem Pub am Lancaster Gate. Ich fuhr natürlich mit meinem gelben Lamborghini vor, um ihr zu beweisen, dass ich nicht geflunkert
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