Römer im Schatten der Geschichte
was der gemeine Soldat verdiente. Wer zum Zenturio aufstieg – allerdings ein seltener Fall –, erhielt etwa das Fünfzehnfache des Solds eines einfachen Rekruten. Unter Kaiser Septimius Severus wurde der Sold überdies verdoppelt. Wenn Soldaten verlegt wurden, erhielten sie ein Reisegeld
(viaticum),
wenn sie zu einem langen Marsch aufbrachen, wurde ein »Schuhnagelgeld«
(clavarium)
entrichtet. Der Rest kam ebenfalls in die »Sparkasse«. Hinzu kamen periodische Schenkungen der regierenden Kaiser, die den Soldaten dem Dienstgrad entsprechend anteilmäßig ausbezahlt wurden. Auch beim Tod eines Kaisers konnten die Soldaten ein Legat erwarten. Schließlich erhielt der Soldat bei seiner Entlassung aus dem Dienst zusätzlich einen Bonus. Dieser Bonus wurde anfangs in Form von Land ausbezahlt, doch der Mangel an geeignetem Land und Klagen der Soldaten, dass sie durch die Zuteilung von magerem Boden in weit entfernter Lage letztlich betrogen würden, führte dann dazu, dass stattdessen ein Geldbonus ausbezahlt wurde. Laut einem Gesetz, das auf Kaiser Augustus zurückging, waren das deponierte Geld und der Bonus der Kontrolle des Vaters eines Soldaten entzogen. Die Juristen hatten es unmissverständlich festgelegt: Soldat zu sein bedeutete, dass der wichtigste Aspekt väterlicher Gewalt über den Sohn aufs äußerste limitiert war: Dem Vater war nicht nur der Zugriff auf dessen Geld verwehrt, es konnte auch unabhängig von den Wünschen des Vaters vererbt werden. Damit besaßen die Soldaten eine ökonomische Freiheit, die in der Zivilbevölkerung beispiellos war.
Außer auf finanziellen Gewinn konnte der Soldat auf rechtliche Privilegien zählen. Diese Sonderrechte liefen im Wesentlichen darauf hinaus, dass der Soldat durch die besonderen Umstände eines Prozesses und rechtlicher Verfahren immer begünstigt war. Zuständig für Soldaten waren einzig Militärgerichte. Der Zuständigkeitsbereich umschloss Verbrechen, die von Soldaten an Soldaten begangen wurden, sowie jedes Vergehen, das der Soldat als Soldat beging. Klagte ein Zivilist gegen einen Soldaten, wurde vor einem Militärgericht verhandelt, das sich aus Zenturionen zusammensetzte. Außerdem musste ein Zivilist, der gerichtlich gegen einen Soldaten vorgehen wollte, sich an dessen Fersen heften, denn Militärangehörige konnten nicht in Abwesenheit beschuldigt werden. Auch konnten sie nicht als Zeugen an einen entfernten Verhandlungsort geladen werden. Wenn ein Soldat in militärischem Auftrag unterwegs war, konnte er nicht gerichtlich belangt werden. Die Klage eines Soldaten gegen einen Zivilisten wurde vor einem Zivilgericht verhandelt. Aber das Verfahren eines Soldaten hatte Vorrang, und dieser konnte den Zeitpunkt der Verhandlung bestimmen. Hatte ein Soldat das Unglück, eines schweren Verbrechens überführt zu werden, war er von der Folter, von einer Verurteilung zu Arbeit in den Minen oder anderer Schwerarbeit ausgenommen. War es ein Kapitalverbrechen, wurde er nicht wie ein gemeiner Verbrecher hingerichtet – kein Galgen, keine Kreuzigung, kein Ende als Fraß für wilde Tiere.
Angesichts all dieser Umstände kann es nicht überraschen, dass manchem Jüngling die Armee als der beste Weg erschien, rechtlichen Problemen in seinem Zivilleben aus dem Weg zu gehen; war es doch leichter, eine Anklage zu verfolgen oder zu bekämpfen, wenn man sich militärischer Sonderrechte erfreute. Ein Rechtsgelehrter aus dem 3. Jahrhundert spricht solche betrügerischen Tricks an:
Nicht Jeder, welcher einen Rechtsstreit gehabt, und deshalb in Kriegsdienste getreten ist, wird des Soldatenstandes beraubt, wohl aber wer in der Absicht Kriegsdienste genommen hat, um unter dem Vorschützen des Soldatenstandes dem Gegner seine Belangung kostspieliger zu machen. Es wird jedoch auch demjenigen nicht leicht ohne vorgängige richterliche Untersuchung nachgesehen, welcher eine Rechtssache zuvor gehabt; wenn aber [jener Rechtsstreit] sich durch einen Vergleich erledigt hat, so muss ihmNachsicht zu Theil werden. (Arrius Menander,
De re militarii
–
Vom Kriegswesen = Digesten
49,16,4,8)
Die privilegierte Stellung eines Soldaten vorzutäuschen war ein allzu verführerischer Weg zum Erfolg vor Gericht.
Allerdings war ein Soldat in gewissen Fällen auch nicht rechtsfähig. So konnte er nichts als Geschenk annehmen, was Gegenstand eines Rechtsstreits war, konnte nicht als Vertreter für Dritte fungieren, und er konnte in der Provinz, in der er Dienst tat, kein Land kaufen, ein
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