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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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der Rekruten lag fast ausschließlich zwischen 17 und 24 Jahren; der Eintritt in die Armee erfolgte wahrscheinlich meist mit zwanzig. Von Autoren der Oberschicht wird gern der Eindruck vermittelt, alle Soldaten seien abgerissene Existenzen. Königin Elisabeth I. nennt ihre gewaltsam angeworbenen Soldaten »Diebe, die an den Galgen gehörten«, und Tacitus zitiert Tiberius, der Aushebungen vorsieht und dazu bemerkt, die Freiwilligen zeigten »nicht die gleiche Tüchtigkeit und Zucht, weil sich meist mittel- und heimatlose Leute aus eigenem Antrieb anwerben ließen« (
Annalen
4,4). Die Elite konnte die rauhe Welt der einfachen und armen Leute nur in verächtlichen Strichen malen. Aber die meisten dieser jungen Männer, wenn nicht alle, waren in Familien aufgewachsen, hatten einen Beruf erlernt, auch wenn es nur die Landarbeit war, und dann beschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Da es Brauch war, dass Frauen sehr jung, noch als Teenager, heirateten und Männer vergleichsweise spät, das heißt mit Ende zwanzig, hatten die wenigsten Rekruten bereits eine eigene Familie. Erwünschte Eigenschaften waren
simplicitas
(Einfalt) und
imperitia
(Unwissenheit). Natürlich wurden keine Idioten gesucht – aber Männer mit wenig eigenen Ideen ließen sich besser formen. Gewiss gab es Ausnahmen. Auch auf der Ebene des einfachen Soldaten wurden bei einigen Rekruten elementare Kenntnisse geschätzt,da solche Männer leichter in die Position von Sekretären der Legion aufrücken konnten (Vegetius [in seinem Handbuch des Militärwesens –
Epitoma rei militaris
] 2,19).
    Sowohl von antiken als auch von modernen Autoren wird mit Vorliebe die Härte des Wehrdiensts betont. Doch das Bild eines harten Lebens ist nach heutigen Begriffen irreführend. Vergisst man jeden Gedanken an einen Vergleich der Lebensbedingungen im römisch-griechischen Altertum mit denen der westlichen Welt seit 1800, wird klar, dass ein römischer Soldat nach den Maßstäben seiner eigenen Zeit ein gutes Leben hatte. Sogar wenn der bäuerliche Rekrut das harte Leben des Landmanns mit dem harten Soldatenleben vertauschte, mühte er sich doch in weit besseren, aussichtsreicheren Verhältnissen, als er sie auf seinem Hof je hätte erleben können. Gegenüber den härtesten Aspekten eines Bauernlebens stellte das Soldatenleben eine erhebliche Verbesserung dar.
    Es überrascht also nicht, dass an Rekruten kein Mangel war. In einem Dokument aus Ägypten heißt es: »Und wenn Aion Soldat werden will, soll er nur kommen, denn alle werden Soldaten« (
BGU
VII 1680/Schubart, Nr. 73). Es mochte Eltern geben, die Einwände machten, doch die meisten hätten wohl den jüdischen Eltern zugestimmt, die in einer Geschichte des Talmud offenbar sehr darum bemüht sind, ihren Sohn anwerben zu lassen:
     
    Ein Mann kam, um jemandes Sohn anzuwerben. Sein Vater sagte: sieh meinen Sohn an, was für ein Bursche, was für ein Held, wie groß er ist. Auch seine Mutter sagte: sieh unseren Sohn an, wie groß er ist. Der andere erwiderte: in euren Augen ist er ein Held und ist er groß. Lasst uns sehen, ob er groß ist. Sie maßen ihn und es zeigte sich, dass er zu klein war, und er wurde zurückgewiesen. (
Aggadat Genesis
40,4/zit. nach Isaac, S. 302 f. mit Anm. 206)
     
    Im Allgemeinen geht man davon aus, dass Eltern, die einen Sohn in die Armee schicken wollten, die Ausnahme waren. Es besteht jedoch kein Grund zu der Annahme, dass die in der zitierten Talmud-Episode bekundete Einstellung der Eltern merkwürdig oder selten war – dieser Umstand wäre in der Quelle wohl nicht unerwähnt geblieben. Die Schilderung macht im Gegenteil sehr deutlich, dass Eltern sich bemühten, ihre Söhne im Militärdienst unterzubringen. Denn Eltern wie Kindern warbewusst, dass die Aussichten im Zivilleben im Großen und Ganzen äußerst trübe waren und dass die Armee inmitten dieser Düsternis als glänzende Gelegenheit erschien.
    So mancher junge Mann ließ sich also leicht für den Militärdienst gewinnen. Natürlich war eine solche Wahl nicht jedermanns Sache. Den Hof oder das Geschäft der Familie zu verlassen konnte seine Nachteile haben – man tauschte das Bekannte gegen Unbekanntes, die Stabilität und Unterstützung einer Familie gegen ein neues Leben in fremder Umgebung. Auch die Familie konnte Einspruch erheben. In einem Brief aus Ägypten tadelt eine Frau ihren Mann, weil er einen Sohn ermuntert hat, Soldat zu werden:
     
    Was Sarapas, meinen Sohn, angeht, er ist gar nicht bei mir geblieben,

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