Römer im Schatten der Geschichte
unser Verständnis außerordentlich bereichern.
Zahlen und Quellen der Sklaven
Zum Hintergrund der geistigen Welt der Sklaven tragen unter anderem demographische Daten bei. Im Kaiserreich war Sklavenarbeit nicht die vorherrschende Form der Landarbeit. Sie konzentrierte sich auf relativ wenige ausgedehnte Güter meist in Italien und Sizilien; dazu kam ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz von Sklaven in größeren Provinzstädten und Großstädten. Bei offenbar starken regionalen Unterschieden besaß, insgesamt gesehen, vielleicht nur ein Hauhalt von sieben einen Sklaven, von denen die meisten im Besitz der Oberschicht und nicht in der Landwirtschaft, sondern mit Hausarbeit beschäftigt waren. Ein sehr großer Teil der Wirtschaftseinheiten der Mittel- und Unterschicht wäre nicht in der Lage gewesen, sich einen Sklaven zu leisten oder Sklavenarbeit wirtschaftlich rentabel zu machen. (Wie schon Aristoteles bemerkte: »Denn die Armen müssen ihre Frauen und Kinder in Ermangelung von Sklaven als Diener verwenden.« [
Politik
6,1323 a5])
Einer begründeten Vermutung nach – viel mehr lassen die weit verstreuten und fragmentarischen Quellen nicht zu – lag die Zahl bei etwa fünfzehn Prozent der Gesamtbevölkerung und in vielen Gegenden weit niedriger. Im Blick auf die Sklaven der römisch-griechischen Welt ist es wichtig, sich diese Fakten zu vergegenwärtigen. Die Sklaven lebten in einer Gesellschaft mit vielen anderen Sklaven, doch ihre Zahl und Bedeutung war von Ort zu Ort verschieden. Das mildert die oft schrecklichen Bedingungen der antiken Sklavenhaltung zwar nicht, bedeutet aber, dass das Leben eines Sklaven vielleicht weniger eingeschränkt, weniger unterdrückt und weniger gefährdet war, als es in einer Gesellschaft mit weit größerem Sklavenbedarf der Fall gewesen wäre.
Außer dem relativ geringen Bestand an Sklaven und dass sie überwiegend im Besitz der vermögenderen Stadtbewohner waren, ist der Hinweis wichtig, dass die Sklaven mit ihren Herren weitgehend die typischen körperlichen Merkmale, die kulturellen Wurzeln und oft auch die Sprache teilten. Sklaven mit anderer Hautfarbe und Gesichtsform waren immer selten, obwohl auch Afrikaner aus der Subsahara versklavt wurden und in der römisch-griechischen Welt in Erscheinung traten, ebenso wie großgewachsene, blonde, hellhäutige Germanen zum Beispiel. Weil sich die Mehrheit der Sklaven in das äußere Erscheinungsbild der Gesellschaft einfügte und weil die Sklaven sich außerdem meist genauso kleideten wie gewöhnliche Leute, die derselben Beschäftigung nachgingen, gab es kein leicht erkennbares äußeres Zeichen der Sklaverei, wenn kein Brandmal, kein Haarschnitt oder Sklavenhalsband, keine Tätowierung oder andere spezifische Kennzeichnungen verwendet wurden. Für Sklaven und Freie, besonders gerade freigelassene Sklaven, war es also einfach und selbstverständlich, miteinander umzugehen, und wenn ein Sklave die Flucht ergriff, war es ein Leichtes, sich unter die Bevölkerung zu mischen und so der Entdeckung zu entgehen. Das Fehlen äußerlicher Merkmale der Sklaverei brachte Chancen mit sich, die andere historische Gesellschaften mit Sklavenhaltung nicht kannten.
Es gab verschiedene Möglichkeiten, in Sklaverei zu geraten. Mit der Ausbreitung der römischen Herrschaft in den Tagen der Republik stellten Kriegsgefangene die vielleicht zahlreichsten Sklaven, die auch das größte öffentliche Aufsehen erregten; spätestens zur Regierungszeit des Augustus waren die großen Kriege mit ihrer Vielzahl von Kriegsgefangenenjedoch relativ selten geworden. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, die Sprösslinge von Sklaven aufzuziehen. Die Nachkommen von Sklaven waren natürlich ihrerseits Sklaven und wuchsen in der Sklaverei auf. Unerwünschte Kinder freier Römer konnten ausgesetzt werden, was auch geschah, und jeder, der ein solches Kind annahm, konnte es aufziehen. Die römischen Gesetze legten zwar fest, dass Findelkinder immer Freigeborene blieben, doch war es praktisch unmöglich, nach einer Kindheit als Sklave die »ursprüngliche Freiheit« zu beweisen. So waren Findelkinder eine stete Quelle neuer Sklaven.
Die vierte, wenn auch weniger wichtige Quelle war die Versklavung Erwachsener. Obwohl gelegentlich auch Kriegsgefangene darunter waren, kamen diese hauptsächlich aus der Hand von Banditen und Piraten, die Reisende und andere ungeschützte Personen in Kleinstädten und auf dem Land entführten. Augustinus bezeugt den Schrecken ihrer
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