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Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
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war Sklaverei omnipräsent. Ihre Form und Anwendung hing im Detail von lokalen Faktoren ab, ihre Existenz aber wurde in der Praxis nicht in Frage gestellt. Die physischen und psychischen Qualen, unter denen Einzelne durch ihre Versklavung zu leiden hatten, konnte ihren Herren gelegentlich bemerkbar werden; Philosophen machten sich Gedanken darüber, dass die Abgrenzung des »Sklaven« vom »Nicht-Sklaven« letztlich nur willkürlich zu treffen war. Doch außer einer Handvoll ungewöhnlicher und einflussloser Sonderlinge zog niemand das Verdienst oder den praktischen Nutzen einer Abschaffung der Sklaverei je in Erwägung – weder diejenigen, die über Sklaven und die Sklaverei nachdachten, noch diejenigen, die in ihrem Alltag mit den Sklaven anderer zu tun hatten, noch die Besitzer von Sklaven selbst. Die Geschichte der Sklaverei ist ein Vorgang allmählicher Gewöhnung oder wiederholter Versuche, sie im Einzelfall aufzugeben oder zu vermeiden, nicht aber den Zustand als solchen innerhalb der Gesellschaft zu liquidieren.
    Diese kulturelle Realität liefert den Schlüssel zum Verständnis der besonderen Bedingungen, unter denen Sklaven ihr Leben verbringen. DerSklave wird durch die Sklaverei nicht so sehr auf ein entmenschlichtes »Ding« reduziert als vielmehr in eine andere Art der Existenz versetzt, eine Umgebung, in der er in einer sozialen oder kulturellen Rolle »rehumanisiert« wird. Die Römer haben die »Menschlichkeit« der Sklaven, ihr »Sein« als Menschen, nicht Tiere, nie geleugnet, mochten sie ihre Sklaven auch noch so oft mit Tieren vergleichen oder sie als moralisch minderwertige, schwache menschliche Wesen bezeichnen. Sie wollten sie damit nur in ihrer Rolle als Sklaven sozialisieren. Aus der Perspektive der Versklavten zeigt sein oder ihr Leben mit der Bewältigung dieser Sklavenrolle, was es bedeutete, in versklavtem Zustand Mensch zu sein.
    Es ist schwierig, sich von Sklaven in ihrer Selbsterfahrung ein Bild zu machen, denn diese Erfahrung ist komplex und vielfältig. Belege für die Geisteswelt des Sklaven sind spärlich. Schwierigkeiten ergeben sich auch daraus, dass man im Westen dazu neigt, Kenntnisse oder Eindrücke aus der Sklaverei der Neuen Welt zu nutzen, um sich auf die fragmentarischen Zeugnisse zur Sklaverei im römischen Kaiserreich einen Reim zu machen. Wie zu zeigen sein wird, gibt es wichtige, aufschlussreiche Vergleichspunkte, aber auch krasse Unterschiede. Ich erwähne nur die offensichtlichsten: das Fehlen des maßgeblichen Faktors der »Rasse« in der antiken Sklaverei und die weit größere Vielfalt des Sklavenlebens im griechisch-römischen Altertum.
    Abb. 9. Auf dem Weg in die Sklaverei: Ein trauriger Zug von Männern, Frauen und Kindern wird in die Sklaverei geführt, als Ware des Händlers Aulus Caprilius Timotheus, der sich seines auch für die Zeitgenossen abstoßenden Berufs rühmt. Grabstein aus Amphipolis, Griechenland.
    Die Stimme von Sklaven?
    Gibt es in antiken Quellen tatsächlich Stimmen der Sklaven selbst? Einige Autoren, die im Geist der Elite schrieben, haben den Anfang oder einen Teil ihres Lebens als Sklaven verbracht: Plautus, der Komödiendichter der römischen Republik, der Grieche und erste Kyniker Diogenes, Epiktet, der römische Stoiker der frühen Kaiserzeit, sowie die Fabeldichter Äsop und Phaedrus – sie alle behaupteten, sie hätten ihr Leben als Sklaven begonnen oder seien eine Zeitlang versklavt gewesen. Höchst verblüffend ist, dass keiner dieser Autoren, der nachweislich Sklave ist oder war, ausdrücklich die Aufgabe übernimmt, über seine Erfahrung
als Sklave
zu schreiben. Am nächsten kommen dem Epiktet und Plautus, denn des Ersteren Beispiele aus dem Sklavenleben und Plautus’ Verwendung von Sklavenfiguren in seinen Komödien thematisieren fraglos die drei Hauptprobleme der Lebensauffassung eines Sklaven. Dennoch könnte man erwarten, unter den Zehntausende Seiten umfassenden lateinischen und griechischen Werken eines zu finden, das ausdrücklich von einem Sklaven geschrieben wurde und eigene Erfahrungen behandelt – zumindest aber unter den Tausenden von Titeln antiker lateinischer und griechischer Werke, die existierten, aber nicht überliefert sind. Schließlich wissen wir, dass viele Sklaven gebildet waren. Einer unter ihnen, Phlegon von Tralles, schrieb zum Beispiel historische und andere Werke zur Zeit des Kaisers Hadrian, während ein zweiter, Q. Remmius Palaemon, nach Erlangen seiner Freiheit in Rom zum renommierten Grammatiker

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