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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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als
Erinnerungsstück
verehren?     
    Du mußt dir
Sorgen um meinen Geisteszustand machen, da ich mir solche Fragen
stelle. Doch sie haben möglicherweise genausoviel mit der
Ermordung Dios und dem bevorstehenden Prozeß gegen Caelius zu
tun wie die Intrigen der ägyptischen Politik, und ich stehe
staunend davor. Ich fürchte, ich bin zu alt geworden für
diese Arbeit, für die man einen Geist braucht, der sich auf
die Welt um einen herum einlassen kann. Ich würde gern denken,
daß ich klüger geworden bin, aber was nützt einem
alle Weisheit beim Verständnis einer Welt, die dem Diktat
wahnwitziger Leidenschaften folgt? Ich komme mir vor wie der
einzige nüchterne Mann auf einem Schiff voller
Trunkenbolde.
    Man sagt, es sei
die Hand der Venus, die uns zu diesem seltsamen Verhalten antreibt,
als ob das die Sache erklären würde, wo wir doch in
Wahrheit von »der Hand der Venus« sprechen, weil wir
diese Leidenschaften eben nicht verstehen und erklären,
sondern sie, wenn es sein muß, nur erdulden und dem Leiden
anderer ratlos zusehen können… 
    Es klopfte. Ich
wappnete mich gegen den eisigen Wind und rief:
»Herein.« Doch es war nicht Bethesda, die ins Zimmer
kam, sondern Diana.
    Sie schloß die
Tür hinter sich und setzte sich auf den Stuhl gegenüber
dem Schreibtisch. Auf ihrem Gesicht lag ein Schatten; irgend etwas
bekümmerte sie.
    »Mutter ist
wütend auf dich«, sagte sie.
    »Wirklich? Das
ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
    »Was machst
du?«
    »Ich schreibe
einen Brief an Meto.«
    »Hast du ihm
nicht erst vor ein paar Tagen geschrieben?«
    »Ja.«
    »Was steht in
dem Brief?«
    »Dies und
das;«
    »Geht es um
deine Arbeit?«
    »In gewisser
Weise. Ja, es geht um meine Arbeit.«
    »Du schreibst
Meto, weil du Eco auf eine Reise geschickt hast und jemanden zum
Reden brauchst. Ist es nicht so?«
    »Du bist sehr
aufmerksam, Diana.«
    Sie hob die Hand und
strich eine Strähne ihres Haars zurück, die ihr ins
Gesicht gefallen war. Sie hatte auffällig glänzendes
Haar, genau wie ihre Mutter, bevor die grauen Strähnen den
Glanz hatten matter werden lassen. Es fiel über die Schultern
bis fast auf ihre Brüste und rahmte ihr Gesicht und ihren
Hals. Im weichen Licht der Morgensonne glänzte ihre Haut wie
Tautropfen auf einer Rosenblüte.
    »Warum teilst du
deine Sorgen nicht mit mir, Papa? Mutter tut es. Sie erzählt
mir alles.«
    »Ich nehme an,
das ist der Lauf der Welt. Mütter und Töchter. Väter
und Söhne.«
    Sie sah mich fest an.
Ich versuchte ihren Blick zu erwidern, mußte aber die Augen
niederschlagen. »Die Jungen sind älter als du, Diana.
Sie haben mit mir gearbeitet und sind mit mir gereist.« Ich
lächelte. »Jeder zweite Satz, den ich anfange, wird von
Eco beendet.«
    »Und
Meto?«
    »Meto ist
anders. Du bist alt genug, dich an einiges von dem zu erinnern, was
passiert ist, als wir das Gut noch hatten - Catilina, der Streit
zwischen mir und Meto, Metos Entscheidung, Soldat zu werden. Das
war eine schwere Probe für die Bande zwischen uns. Er ist
jetzt sein eigener Herr, und ich verstehe ihn nicht immer. Trotzdem
kann ich ihm stets erzählen, was ich denke.«
    »Aber Eco und
Meto sind nicht deine leiblichen Söhne. Du hast sie adoptiert.
Ich trage dein Blut in mir, Papa.«
    »Ja, Diana, ich
weiß.« Warum bist du dann so rätselhaft, dachte
ich, und warum besteht diese Kluft zwischen uns? Und warum behalte
ich all diese Gedanken für mich, anstatt sie laut
auszusprechen?
    »Kann ich den
Brief lesen, Papa?«
    Die Frage traf mich
unvorbereitet. Ich blickte auf das Pergament und überflog die
Worte. »Ich bin nicht sicher, ob du ihn verstehen
würdest, Diana.«
    »Dann
könntest du es mir erklären.«
    »Ich weiß
nicht, ob ich das will. Vielleicht, wenn du älter
wärst.«
    »Ich bin kein
Kind mehr, Papa.«
    Ich schüttelte
den Kopf.
    »Mutter sagt,
ich bin jetzt eine Frau.«
    Ich räusperte
mich. »Und ich nehme an, das gibt dir das Recht, die
persönlichen Briefe deiner Mutter zu lesen.«
    »Das ist gemein,
Papa. Du weißt genau, daß Mutter nicht lesen und
schreiben kann, was wohl kaum ihre Schuld ist. Wenn sie als
römisches Mädchen erzogen worden
wäre…«
    Anstatt als
ägyptische Sklavin, dachte ich. War es das, was Diana
bekümmerte, die Herkunft ihrer Mutter, die Tatsache, daß
sie selbst die Tochter einer geborenen Sklavin war? Diana und ich
hatten nie wirklich darüber gesprochen, aber ich nahm an,
daß Bethesda es in irgendeiner Weise mit ihr erörtert
haben mußte. Genügend

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