Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
gefriert sie, als daß sie brodelt. Sie
ist unsichtbar, heimlich und heimtückisch. Sie macht sich
nicht durch aufbrausenden Aktionismus Luft, sondern in kalt
berechneten Nicht-Handlungen, ungesprochenen Worten, unerwiderten
Blicken, dem Überhören von Bitten. Ich glaube, daß
Bethesda ihrer Wut so passiv Ausdruck verleiht, weil sie als
Sklavin geboren wurde und den Großteil ihres Lebens Sklavin
blieb, bis ich sie freigelassen und geheiratet habe, damit sie
unsere Tochter in Freiheit zur Welt bringen konnte. Ihre Art ist
die Art von Sklaven (und die des Helden aus Homers Ilias): Sie
schmollt, brütet und wartet den passenden Augenblick
ab.
    Es war schon schlimm
genug, daß ich Belbo von Clodia allein nach Hause geschickt
und somit für meinen Heimweg über den Palatin keinen
Leibwächter gehabt hatte. Auch schlimm, daß ich mitten
in der Nacht nach billigem Wein und dem ranzigen Qualm von
Tavernenlampen stinkend nach Hause gekommen war. Aber die Nacht mit
dieser Frau verbracht zu haben! 
    Das war natürlich
lächerlich, und das sagte ich auch, zumal ich Clodia den
ganzen Abend nicht gesehen hatte.
    Wie ich mir dann den
Geruch ihres Parfüms an mir erklären
würde?
    Ein klügerer Mann
(vielleicht sogar ich selbst, an einem Morgen, an dem ich weniger
ausgelaugt und unausgeschlafen gewesen wäre) hätte es
sich zweimal überlegt, bevor er erklärt hätte,
daß das Parfüm von einer Decke stammte, die die
fragliche Dame über ihn gebreitet haben mußte, als er,
ohne es zu wollen, in ihrem Garten eingenickt
war…
    Das war’s. Ich
verbrachte den Rest der Nacht mit dem Versuch, eine bequeme
Stellung auf dem schmalen Eßsofa in meinem Arbeitszimmer zu finden.
Außerdem bin ich es gewohnt, neben einem warmen Körper
zu schlafen.
    Ich bin es ferner
gewohnt, mindestens bis Tagesanbruch zu schlafen, vor allem wenn
ich zuvor die halbe Nacht wach war. Doch das sollte nicht sein.
Nicht, daß Bethesda mich geweckt hätte; sie machte es
mir nur unmöglich weiterzuschlafen. War es wirklich notwendig,
die Putzmagd vor Anbruch der Dämmerung in mein Arbeitszimmer
zu schicken?
    Nachdem ich einmal
wach war, weigerte sich Bethesda nicht, mich zu beköstigen.
Doch der Hirsebrei war klumpig und kalt und wurde von keinerlei
Gespräch erwärmt.
    Nach dem
Frühstück scheuchte ich die Putzmagd aus meinem
Arbeitszimmer und schloß die Tür. Ich entschied,
daß es ein guter Morgen war, um einen Brief zu
schreiben. 
    An meinen geliebten
Sohn Meto, in militärischen Diensten unter dem Oberbefehl von
Gaius Julius Caesar in Gallien, von seinem Vater in Rom, möge
Fortuna mit dir sein.
    Ich schreibe diesen
Brief nur drei Tage nach meinem letzten; der Martius ist
vorüber, und wir haben die Kalenden des Aprilis. In der
Zwischenzeit ist viel passiert, und alles hängt mit dem Mord
an Dio zusammen.
    Unser Nachbar
Marcus Caelius (oder genauer: unser früherer Nachbar; Clodius
hat ihn rausgeworfen) ist des Mordes an Dio und weiterer Verbrechen
im Zusammenhang mit den Übergriffen auf die ägyptischen
Gesandten sowie des versuchten Mordes (durch Gift) an Dio angeklagt
worden. Freunde der Ankläger haben mich engagiert mitzuhelfen,
Beweise gegen Caelius zusammenzutragen. Mein Interesse gilt nur der
Entlarvung von Dios Mörder, damit ich diese quälende
Angelegenheit zu Ende bringen kann, wenn schon nicht um der
Gerechtigkeit willen, dann wenigstens für meinen eigenen
Seelenfrieden.   
    Ich werde
später versuchen, dir die Einzelheiten zu schildern.
(Vielleicht nach dem Prozeß, der übermorgen beginnt.)
Was mich jedoch zur Zeit am meisten beschäftigt und
worüber ich mit dir sprechen will, ist etwas
anderes.
    Was ist dieser
Wahnsinn, den die Poeten Liebe nennen? Welche Macht zwingt einen
Mann, sich an der grausamen Gleichgültigkeit einer Frau
wundzureiben, die ihn nicht mehr liebt? Was treibt eine Frau dazu,
die totale Zerstörung eines Mannes zu betreiben, der sie
zurückweist? Welche grausamen Gelüste treiben einen Mann
von rationalem Verstand dazu, sich an der Erniedrigung seiner
hilflosen Sexualpartner zu delektieren? Wie kann ein für die
Liebe vermeintlich unempfindlicher Eunuch für eine schöne
Frau entflammen? Ist es natürlich, daß Bruder und
Schwester ein Bett teilen, wie es auch die Götter und
Göttinnen der Ägypter dem Vernehmen nach gelegentlich
tun? Warum entmannen sich die Verehrer der Großen Mutter in
religiöser Ekstase selbst? Warum sollte eine Frau heimlich
eine Locke vom Schamhaar ihres Geliebten abschneiden und sie

Weitere Kostenlose Bücher