Römischer Lorbeer
wo hatte er dann das
Gift erworben?
Vergiftungen sind in
Rom mittlerweile beklagenswert verbreitet, und in den letzten
Jahren war ich mit tödlichen Tränken und Pudern
vertrauter geworden, als ich es mir je hätte träumen
lassen. Gelegentlich wandern auch durch meine Hände
beträchtliche Mengen diverser Gifte, und ich hebe sie in einer
eigens dafür vorgesehenen Kassette auf; Klienten, die eine
bestimmte Giftmenge als Beweismaterial gesichert haben, ziehen es
vor, das Zeug in meiner Verwahrung zu lassen, statt es in ihren
eigenen Häusern aufzubewahren, vor allem, wenn sie ein
Mitglied der Familie oder einen Sklaven verdächtigen, sie
umbringen zu wollen.
Für Silber kann
jeder in Rom Gift erwerben, doch es gibt nur relativ wenige
verläßliche und diskrete Quellen - und ich nahm an,
daß Caelius eine von ihnen benutzt hatte. Im Laufe der Jahre
hatte ich im Rahmen meiner Arbeit mit den meisten von ihnen mehr
oder weniger enge Bekanntschaft gemacht. Die Befragung dieser
Gestalten war etwas, was ich lieber Eco überlassen hätte,
doch da Eco nicht da war, machte ich mich mit einer Börse
voller Münzen und in schützender Begleitung Belbos selbst
an die Arbeit. Es war eine unangenehme Pflicht, so als würde
man unter Steinen verborgene Schlangen aufscheuchen. Doch da ich
zufällig wußte, welche Steine die Schlangen bevorzugten,
marschierte ich einfach von einem zum nächsten, hob ihn hoch
und wappnete mich für eine Folge unangenehmer
Begegnungen.
Meine Suche
führte mich zu einer Reihe verrufener Läden am Rande des
Forums, weiter durch die heruntergekommenen Bäder um den
Circus Flaminius zu den Docks und Lagerhäusern der Navalia und
schließlich, auf Anraten eines Informanten, zurück zu
dem Lokal, das Catull die geile Kneipenwirtschaft genannt hatte. Im
Licht des Tages wirkte sie eher baufällig als geil; die
Spieler waren verschwunden, und die Huren sahen zehn Jahre
älter aus. Die einzigen Gäste waren ein paar unrasierte
Trinker, die nicht imstande schienen, ihre Bänke zu verlassen;
ich erkannte einige wieder, die ihren Platz offenbar noch gar nicht
verlassen hatten.
Man hatte mir gesagt,
ich sollte mich an einen Mann halten, der sich Salax nannte.
(»Nach ihm ist die Taverne benannt«, hatte meine Quelle
gescherzt.) Er war leicht zu finden, weil er an Stelle einer
richtigen Nase eine aus Leder trug. (»Was immer du tust,
frage ihn nicht, wie er seine Nase verloren hat!« war ich
gewarnt worden.) Er gab freimütig zu, Marcus Caelius zu kennen
- ein häufiger Gast der Taverne -, doch was Gifte anging,
stellte er sich vollkommen unwissend und wurde auch nicht
kenntnisreicher, als ich die Münzen in meiner Börse
klimpern ließ. Statt dessen wies er auf die faulenzenden
Huren und schlug vor, meine Börse auf andere Art zu
erleichtern.
Ich hatte unter allen
mir bekannten Steinen nachgesehen. Die Schlangen hatten ihre
Fangzähne gebleckt und gezischt, aber keine von ihnen hatte
mir Gift präsentiert.
Es war möglich,
sogar wahrscheinlich, daß Caelius das Gift nicht selbst
erworben, sondern von derselben Quelle erhalten hatte, die ihn
engagiert hatte, die ägyptischen Gesandten zu terrorisieren -
also direkt von König Ptolemaios oder von Pompeius, dem Freund
des Königs. In diesem Fall durfte ich beim Aufspüren des Giftes
kein Glück erwarten. Das Netz von Spionen und Lakaien, das
für Pompeius und den König arbeitete, würde einem
Außenseiter wie mir nichts enthüllen.
Wenn Caelius Dio nur
auf Geheiß von dessen Feinden getötet hat, warum hat er
es dann überhaupt getan? Weil er so hoch bei Pompeius
verschuldet war? Das schien durchaus möglich. Wenn dem so war,
konnte ich vielleicht jemanden auftreiben, der zumindest von den
Schulden wußte. Ich kehrte aufs Forum zurück und wandte
mich an andere Informantenkreise, die weniger mit Giften als
vielmehr mit politischen Intrigen vertraut waren. Es war nicht
schwer, Männer zu finden, die gewillt waren zu reden, aber es
war schlechterdings unmöglich, an handfeste Fakten
heranzukommen. Es war genau, wie Clodius gesagt hatte: Zahlreiche
Männer behaupteten von sich, ›die Wahrheit zu
kennen‹, (Caelius hatte versucht Dio zu vergiften und war
gescheitert, dann hatten Caelius und Asicius Dio gemeinsam
erstochen), aber keiner von ihnen schien irgendwelche konkreten
Beweise zu haben.
Ich traf Männer,
die dem Prozeß gegen Asicius beigewohnt hatten, und
unterhielt mich lange mit ihnen. Es galt allgemein als ausgemachte
Sache, daß
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