Römischer Lorbeer
Willen bekommen können. Er hätte
mich töten können. Er war ein mächtiger und
angesehener Mann, niemand hätte ihn wegen des Todes einer
Sklavin geringer geachtet. Niemand machte sich Gedanken über
den Tod meiner Mutter, und niemand hätte meinen Tod
hinterfragt.«
»O
Mutter!« Diana drückte sich näher an sie. Clodia
biß sich auf die Lippe. Chrysis senkte den Kopf. Bethesdas
Augen glänzten, doch ihre Wangen blieben trocken. »Ich
lag fassungslos auf dem Boden. Ich konnte mich nicht bewegen, nicht
einmal einen Finger heben. Ich wartete darauf, daß der Himmel
auf mich herabstürzen würde. Aber wißt ihr, was er
tat? Er wurde weiß wie eine Wolke, murmelte einen Fluch und
verließ den Raum. Ich glaube, der Schatten meiner Mutter
muß ihm ins Ohr geflüstert und ihn beschämt haben.
Anstatt mich umzubringen, wollte er mich auf einmal nur noch
loswerden. Er schickte mich auf einen Sklavenmarkt. Offenbar war
ich keine besonders zufriedenstellende Sklavin.« Sie brachte
ein sprödes Lächeln zustande. »Männer
kauften mich
und schickten mich noch vor dem Abend wieder zurück. Ich wurde
so oft zurückgeschickt, daß der Mann auf dem
Sklavenmarkt einen Witz daraus machte. Ich war noch jung und
vermutlich auch schön - fast so schön wie du, Diana. Aber
unter den Käufern breitete sich das Gerücht aus, ich
wäre das reinste Gift, bis am Ende niemand mehr für mich
bieten wollte. Natürlich kam schließlich doch der
richtige Mann für mich. Ich denke, es muß eine Laune der
Göttin gewesen sein, die die Römer Venus nennen, die ihn
an jenem Tag auf den Sklavenmarkt schickte, mit nur wenigen
Münzen in seiner Börse. Ich war die billigste Sklavin
weit und breit, und trotzdem konnte er sich mich kaum
leisten!«
Darüber
mußten die anderen Frauen lachen, während sie noch ihre
Tränen abwischten.
»Und dein Mann
weiß nichts von dem, was dir geschehen ist, bevor ihr euch
getroffen habt?« fragte Clodia.
»Nein. Ich habe
es ihm nie erzählt, und ich glaube, das werde ich auch nie
tun. Meiner Tochter habe ich es erzählt, weil ich dachte,
daß sie wissen sollte, was ihrer Großmutter widerfahren
ist. Und jetzt habe ich es dir erzählt.«
Ich war entsetzt,
verwirrt und sprachlos - nicht nur über das, was Bethesda
gesagt hatte, und die Tatsache, daß sie es vor mir
geheimgehalten hatte, sondern auch über die unerklärliche
Vertraulichkeit zwischen den Frauen in meinem Garten. Welcher
eigenartiger Zauber war dafür verantwortlich, daß sie so
offen miteinander redeten? Wo waren die üblichen Barrieren von
Sklaverei und Status, die sie eigentlich hätten trennen
müssen? Die Erde schien unter meinen Füßen zu
beben, und meine Finger zitterten, als ich das Guckloch im Efeu
wieder schloß und leise in mein Arbeitszimmer
flüchtete.
19
Nach einer Weile
befahl ich einer Sklavin, Bethesda zu melden, daß ich
heimgekommen wäre und mich in meinem Arbeitszimmer aufhalten
würde. Wenig später erschien Clodia in Begleitung von
Chrysis. Sie lächelten beide, als hätten sie sich
prächtig amüsiert. Der Besuch bei Bethesda und Diana war
offensichtlich in fröhlicher Stimmung zu Ende gegangen, was
mich um so mehr verwirrte - wie konnten sie über derartig
schreckliche Dinge sprechen und dann lachend
auseinandergehen?
»Ich bin
vorbeigekommen, um zu sehen, ob du irgend etwas Neues erfahren
hast, aber du warst nicht da«, sagte Clodia mit gespieltem
Trotz. »Ich gehe davon aus, daß du in meinem Auftrag
unterwegs warst, um etwas Brauchbares über Caelius
herauszufinden - vielleicht neue Erkenntnisse über die
Sklaven, die er bestochen hat, Dio zu vergiften?«
»Ich
fürchte, ich habe nicht viel herausgefunden. Bist du schon
lange hier?«
»Eine
Weile.«
»Ich hoffe, du
hast dich nicht gelangweilt.«
Ȇberhaupt
nicht. Deine Frau hat mich sehr herzlich
empfangen.«
»Hat sie
das?«
»Ja.«
Das war in etwa der
Tenor unseres Gespräches, und kurz darauf brachen Clodia und
Chrysis auf.
*
Es dämmerte, und
das Abendessen wurde aufgetragen. Ich war verlegen und hatte
Schwierigkeiten, Bethesda und Diana in die Augen zu sehen. Ich
fragte Bethesda, was sie denn nun von unserer Besucherin halte.
»Eine interessante Frau«, war alles, was sie
erwiderte.
»Ich nehme an,
sie hat dich, was meinen Aufenthaltsort in der vergangenen Nacht
betrifft, beruhigen können?«
»Ja«,
antwortete Bethesda, ohne weitere Ausführungen zu
machen.
»Nun, gut. Dann
ist also alles wieder im Lot?«
»Ich war mir
keiner Störung unseres
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