Römischer Lorbeer
um
seine vermeintlichen Erben nicht an die Macht zu lassen, um sein
Volk davor zu schützen, von einem rivalisierenden
Königreich erobert zu werden, das vielleicht noch repressiver
wäre als Rom; oder schlicht, um sich der Flutwelle der
römischen Expansion zu beugen.« Dio seufzte. »In
meiner Lebensspanne hat Rom schon Pergamon, Kyrene und Bithynien
durch Erbschaft und Pontus und Syrien durch Eroberung genommen. Vor
zwei Jahren haben die Römer ohne einen Waffengang Zypern
besetzt; König Ptolemaios’ Bruder beging Selbstmord. Rom
hat den Osten überrannt. Von allen
Königreichen, die aus dem Imperium Alexanders des Großen
hervorgegangen sind, ist nur noch eines übrig:
Ägypten.«
»Und jetzt
machen wieder Gerüchte die Runde, Alexander II. hätte
Ägypten testamentarisch an Rom abgetreten«, sagte ich.
»König Ptolemaios muß unruhig
schlafen.«
Trygonion nickte
verständnisvoll. »Ich wäre nicht gern der Sklave,
der seine Laken wechselt.«
»Du bist
vulgär«, murmelte Dio mit zusammengebissenen
Zähnen. »Mittlerweile dominiert Rom den Osten. Das ist
eine Tatsache, die niemand bestreitet. Doch das ägyptische
Volk verlangt einen Herrscher, der sich dieser Dominanz widersetzt.
Die Geschichte unseres Landes reicht länger zurück, als
sich irgendein Mensch vorstellen kann. Es existierte schon, als
Alexander der Große seinen Fuß auf unseren Boden setzte
und Alexandria gründete. Das von ihm geschaffene
Königreich stand bereits in voller Blüte, als Romulus und
Remus noch von der Wölfin gesäugt wurden. Wir haben
keinen Bedarf an römischen Sitten und Gebräuchen oder
einer römischen Regierung. Doch anstatt sich der
römischen Hegemonie standhaft zu widersetzen, zittert
König Ptolemaios vor Angst und bietet freiwillig alle nur
möglichen Konzessionen an. Das Volk von Alexandria verlangt,
daß er Zypern von der römischen Herrschaft befreit und
es als Königreich wiederherstellt; statt dessen spielt er den
Gastgeber für den römischen Bevollmächtigten, der
geschickt wurde, um die Insel auszuplündern. Um das Gerede
über das angebliche Testament zum Verstummen zu bringen, macht
er Caesar und Pompeius ein ›Geschenk‹ von 35
Millionen Denar, damit Caesar den römischen Senat bestechen
und Pompeius seine eigenen Truppen auszahlen kann. Die Rechnung
wird dann in Form von höheren Steuern an das ägyptische
Volk weitergereicht. Unsere Steuern fließen direkt in die
Taschen römischer Senatoren und Soldaten - da könnten wir
genausogut gleich römische Provinz werden! Und was bekommt
Ptolemaios als Gegenleistung? Der römische Senat erkennt ihn
zögerlich als rechtmäßigen König an, und auf
dem Kapitol wird zu Ehren von Ptolemaios Theos Philopator
Philadelphos Neos Dionysos, dem ›Freund und Verbündeten
des römischen Volkes«, eine Gedenktafel aufgestellt.
Freund und Verbündeter zu sein ist eine feine Sache, aber um
für dieses Privileg zu bezahlen, preßte er dem
ägyptischen Volk immer höhere Steuern ab. Die Wut der
Menschen hat Ptolemaios schließlich veranlaßt, aus der
Stadt zu fliehen, weil er um sein Leben fürchtete. Er ist den
weiten Weg bis hierher nach Rom geflüchtet, wo Pompeius ihn in
einer weitläufigen Villa untergebracht hat, in der er
über eine große Anzahl von Sklaven verfügen
kann.«
»Für 35
Millionen Denar kann er durchaus eine derart königliche
Unterbringung verlangen!« meinte Trygonion.
Dio warf ihm einen
finsteren Blick zu. »Er verbringt seine Tage damit,
Flöte zu spielen und Briefe an den römischen Senat
aufzusetzen, worin er darum bittet, gegen den Willen des
ägyptischen Volkes wieder auf seinen Thron gesetzt zu werden.
Doch dafür ist es zu spät. Seine Tochter Berenice ist
bereits zur Königin von Ägypten ernannt
worden.«
»Eine
Frau?« fragte Trygonion fasziniert.
»Meine Wahl war
sie nicht«, sagte Dio hastig. »Philosophen
genießen in Alexandria zwar Einfluß, aber das tun die
Astrologen auch. Die Sterngucker haben darauf beharrt, daß es
der richtige Zeitpunkt wäre, einen weiblichen Sproß der
ptolemaischen Linie zur Herrscherin von Ägypten
auszurufen.«
»Mir scheint,
daß du vielleicht ein wenig hart mit König Ptolemaios
ins Gericht gehst, Meister«, wandte ich vorsichtig ein.
»Auch er hat sein Leben lang zugesehen, wie der römische
Herrschaftsanspruch ein Königreich nach dem anderen geschluckt
hat, manchmal durch Krieg, manchmal durch bloßes Taktieren.
Er hat sich stets in einer prekären Lage befunden. Er
muß sich darüber im klaren
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