Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
Vom Netzwerk:
die
einst seine Freunde gewesen, jetzt aber zu Feinden geworden
wären, die nur danach trachteten, ihn zu ihrer
persönlichen Befriedigung zu vernichten. Den Verrat falscher
Freunde könne man einem Mann wohl kaum zum Vorwurf machen;
trotzdem bedauerte Caelius sein schwaches Urteilsvermögen, das
ihn dazu verleitet habe, sich mit solchen Leuten einzulassen, denn
er müsse nun den Schmerz und das Leid ertragen, welches er
seinen Eltern damit zugefügt habe, die heute übrigens
wieder in Trauerkleidung, die Tränen mühsam
zurückhaltend, an seiner Seite verharrten. Weiter
entschuldigte er sich für die Bürde, die dieser
Prozeß auf die Schultern seiner loyalen Freunde, geliebten
Mentoren und geschätzten Advokaten Marcus Crassus und Marcus
Cicero gelegt habe, zwei wahrhaft große Römer, deren
Beispiel zu folgen ihm zugegebenermaßen nicht gelungen sei,
an die er sich jedoch nach Ende dieser harten Prüfung um
erneute Inspiration wenden würde, vorausgesetzt, die Richter
würden sich in ihrer Weisheit darauf verständigen, ihm
diese zweite Chance zu gewähren. 
    Caelius war
respektvoll, aber nicht unterwürfig; bescheiden, aber nicht
kriecherisch, unerbittlich im Beharren auf seiner Unschuld, aber
nicht selbstgerecht; bekümmert über die Bösartigkeit
seiner Feinde, aber nicht aggressiv. Er war das Abbild eines
aufrechten Bürgers, der fälschlicherweise angeklagt
worden war und sich nun vertrauensvoll an die verehrten
Institutionen der Justiz wandte, auf daß ihm Gerechtigkeit
widerfahren möge.    
    Jemand tippte auf
meine Schulter, und als ich mich umdrehte, blickte ich in Catulls
blutunterlaufene Augen. »Ich nehme nicht an, daß ich
schon viel Skandalöses verpaßt habe«, sagte
er.
    »Eher
nicht«, bemerkte ein Mann in unserer Nähe. »Dieser
Caelius könnte keiner Fliege was zuleide tun!«
Gelächter brandete auf, wurde jedoch von anderen, die kein
Wort verpassen wollten, ärgerlich niedergezischt.
    »Das wird sich
bald ändern«, flüsterte Catull mir ins Ohr,
»und zwar ziemlich heftig.«
    »Was meinst
du?«
    »Caelius
kämpft besser mit dem Schwert als mit dem Schild. Warte ab und
höre aufmerksam zu.«
    Und tatsächlich
begann sich der Ton von Caelius’ Rede zu verändern, als
ob es nun, nachdem er die notwendige Selbstkasteiung absolviert
hatte, an der Zeit wäre, in die Offensive zu gehen. Der
Übergang war so fließend, die sarkastischen Andeutungen
so subtil, daß man unmöglich einen Punkt hätte
benennen können, an dem die Rede von einer bloßen Unschuldsbeteuerung in
eine beißende Anklage gegen die Ankläger umschlug.
Caelius attackierte ihre Plädoyers, wies daraufhin, daß
sie allein auf Gerüchten und Indizien beruhten, geißelte
logische Brüche und die offenkundige Absicht, seine Person in
den Schmutz zu ziehen. Er ließ die Ankläger nicht nur
rachsüchtig und kleinlich, sondern auch lächerlich
erscheinen, nicht zuletzt deshalb, weil es ihm selbst gelang, eine
Aura makelloser Würde zu bewahren, während er ihre
Argumente und Motive anzweifelte und sie mit zweideutigen
Wortspielen traktierte.
    »Siehst
du«, flüsterte Catull.
    »Woher
wußtest du das?«
    Er zuckte die
Schultern. »Du vergißt, wie gut ich Caelius kenne. Ich
könnte dir den weiteren Verlauf seiner gesamten Rede
skizzieren. So wird er sich beispielsweise als nächstes ihr
zuwenden.« Er blickte zu der Bank, auf der Clodia saß,
und das spöttische Lächeln auf seinen Lippen
verblaßte, bis er genauso ernst aussah wie
sie. 
    Und tatsächlich
fuhr Caelius mit indirekten Angriffen auf Clodia fort, auch wenn er
sie nicht beim Namen nannte. Hinter der Anklage und ihren falschen
Beschuldigungen, sagte er, stünde eine gewisse Person, die ihm
Schaden zufügen wolle - nicht umgekehrt, wie sie behauptet
hatte. Die Richter wüßten schon, wen er meinte -
»Clytemnestra-quadrantaria«: Die krude Anspielung
implizierte, daß Clodia nicht nur eine Gattenmörderin,
sondern auch eine billige Hure sei, und löste anzügliches
Gelächter aus. Wo hatte ich das nur schon einmal
gehört?
    »Ich behaupte
nicht, die Dame sei mir unbekannt«, sagte Caelius. »Ja,
ich kenne sie - oder kannte sie - ziemlich gut. Zu meiner Schande
und meiner Pein. Aber wohl kaum zu meinem Vorteil; denn was im
Speisezimmer noch wie Cos aussieht, verwandelt sich im Schlafzimmer
bisweilen in Nola.« Das löste weiteres Gelächter
und sogar anerkennenden Beifall aus. Das Wortspiel war
vielschichtig und von ausgeklügelter Gemeinheit. Cos war die
Insel, von der

Weitere Kostenlose Bücher