Römischer Lorbeer
bekommt ein Mann wie er Sklaven in einem Zustand zu
Gesicht, in dem die meisten von uns sie noch nie oder nur sehr
selten gesehen haben. Sie ist nicht ganz bei Verstand. Vielleicht
war sie schon immer ein bißchen verwirrt, ich weiß es
nicht. Ich denke, anfangs hat man sie im Haus des Coponius
einigermaßen gut behandelt, obwohl die anderen Sklaven sie
immer gehänselt haben. Dann kam Dio. Das Mädchen war
unschuldig, naiv, vielleicht sogar eine Jungfrau. Sie hatte keine
Vorstellung von dem, was Dio mit ihr vorhatte. Sie konnte nicht
begreifen, warum er sie bestrafen wollte, obwohl sie doch
gar nichts getan hatte. Zunächst hielt sie den Mund, weil sie
zu viel Angst hatte, sich Dio zu widersetzen, und sich zu sehr
schämte, um sich irgend jemandem anzuvertrauen. Als sie sich
schließlich bei den anderen Sklaven beklagte, haben einige
versucht, für sie Partei zu ergreifen, doch Coponius wollte
sich nicht damit befassen. Nachdem Dio dann tot war, konnte
Coponius das Mädchen gar nicht schnell genug loswerden. Danach
wanderte sie von Hand zu Hand, wurde mißbraucht und
mißhandelt. Es muß ihr vorgekommen sein wie ein
Alptraum, aus dem sie nicht wieder aufwachen konnte. Das hat ihren
Verstand beeinträchtigt. Manchmal spricht sie absolut klar und
zusammenhängend, dann wieder… aber du wirst ja selbst
sehen. Sie war jedenfalls für keine Sklavenarbeit mehr
geeignet. Ich habe sie schließlich auf einem bäuerlichen
Anwesen aufgespürt.
Sie lebte wie ein Tier
in der Wildnis. Der Bauer hatte sie als Küchensklavin gekauft,
doch sie hatte sich als wertlos erwiesen. ›Das Mädchen
kratzt und beißt‹ meinte er. ›Ohne jeden Grund,
wie eine ägyptische Katze. Selbst Schläge helfen
nicht.‹ Niemand in der Gegend wollte sie kaufen, also hat
der Bauer sie freigelassen, wie man es bisweilen mit alten oder
verkrüppelten Sklaven tut, um sie nicht durchfüttern zu
müssen. Ich mußte nicht mal für sie bezahlen. Das
einzige, was ich zu tun hatte, war, sie zu finden und dazu zu
bewegen, mit mir zu kommen. Ich dachte, ich hätte ihr
Vertrauen gewonnen, doch sie hat zweimal versucht
auszureißen, einmal vor Puteoli und dann noch einmal heute
morgen, als wir Rom fast erreicht hatten. Jetzt verstehst du
wahrscheinlich, warum es so lange gedauert hat. Und ich hatte
gedacht, du schickst mich auf eine leichte Mission,
Papa!«
»Wenn das
Mädchen dir erzählt hat, was wir wissen müssen,
hättest du sie vielleicht laufen lassen
sollen.«
Wieder legte sich ein
Schatten auf sein Gesicht. »Nein, Papa. Ich konnte dir ihre
Geschichte nicht einfach erzählen.
Ich mußte das
Mädchen zurück nach Rom bringen, damit du sie mit eigenen
Ohren hören kannst.«
*
Menenia erwartete uns
mit verschränkten Armen und untypisch mißmutiger Miene.
Ich dachte, der Blick gälte Eco, weil er sofort wieder
losgerannt war, um mich zu finden, nachdem er das
Sklavenmädchen zu Hause abgeliefert hatte -junge Ehefrauen
verlangen von ihren Männern nach einer Reise ein wenig mehr
Aufmerksamkeit. Doch dann begriff ich, daß der Blick mir
galt. Was hatte ich mir außer einem häuslichen Streit
und einer nicht daheim verbrachten Nacht zuschulden kommen lassen?
Davon konnte Menenia unmöglich schon erfahren haben - oder
doch? Manchmal glaube ich, die Erde unter der Stadt ist von
zahllosen Gängen durchzogen, in denen fortwährend Boten
auf und ab laufen, um geheime Nachrichten zwischen den Frauen Roms
zu übermitteln.
Eco hatte das
Mädchen in eine Vorratskammer hinter der Küche gesperrt.
Als sie uns sah, sprang sie von einer Holzkiste auf und kauerte
sich an die Wand.
»Wahrscheinlich
hat sie Angst vor Belbo«, sagte Eco.
Ich nickte und
schickte ihn hinaus. Das Mädchen entspannte sich, aber nur ein
wenig.
»Du brauchst
keine Angst zu haben. Das habe ich dir doch schon erklärt,
oder nicht?« sagte Eco in eher verzweifeltem, als
beruhigendem Tonfall.
Unter anderen
Umständen hätte die Sklavin Zotica vielleicht
einigermaßen hübsch aussehen können. Für
meinen Geschmack war sie viel zu jung, flach und knochig, wie ein
Junge, doch in ihren hohen Wangenknochen und den dunklen
Augenbrauen konnte man bereits die zarte Andeutung eines fraulichen
Gesichts erkennen. Mit ihren ungewaschenen, verschwitzten und
verfilzten Haaren und den dunklen Ringen unter den Augen war es
schwer, sie sich als das Objekt irgend jemandes Begierde
vorzustellen. In ein Bordell gehörte sie gewiß nicht.
Sie sah eher aus wie eines jener verlorenen Kinder, die, auf der
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