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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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in
eine Metzgerei, packte ein Messer und lief zu Verginia zurück.
Bevor irgend jemand ihn aufhalten konnte, stach er ihr ins Herz.
Sie starb in seinen Armen, zuckend und Blut spuckend, während
er über ihr Haar strich und immer wieder flüsterte:
›Es war die einzige Möglichkeit, dich zu befreien, mein
Kind, die einzige Möglichkeit.« Ihre Leiche in den
Armen, taumelte er aufs Forum zurück. Die Menge teilte sich
vor ihm in entsetztem Schweigen, so daß Verginius’
Schreie auf dem ganzen Forum widerhallten. ›Dieses Blut
klebt an deinen Händen, Appius Claudius! Der Fluch des Blutes
meiner jungfräulichen Tochter soll dich
treffen!‹«
    Catull verstummte. Ich
starrte in die Dunkelheit. »Was für eine
Geschichte«, sagte ich schließlich. »Was geschah
dann?«
    »Verginius und
der Verlobte seiner Tochter führten eine bewaffnete Erhebung
an. Die Dezemvirn wurden gestürzt. Appius Claudius wurde
verhaftet.«
    »Wurde er
bestraft?«
    »Er nahm sich,
im Gefängnis auf seinen Prozeß wartend, das
Leben.«
    »Kein Wunder,
daß Clodia ihn verschwiegen hat. Aber ich sehe nicht, welchen
Bezug deine Geschichte zu Lesbia hat.«
    »Nicht? Sie
haben alle einen Schuß Wahnsinn im Blut, verstehst du? Ja,
die Claudier können auf eine lange Geschichte des Erbauens,
Schaffens und Aufstiegs zu Ruhm und Ehre zurückblicken. Aber
es gibt auch diesen anderen Aspekt, diese ungesunde Neigung zur
Besessenheit, die Unfähigkeit, von etwas, was sie begehren und
nicht bekommen können, abzulassen. Wenn sie etwas wirklich
wollen, tun sie alles, um es zu bekommen. Alles! Und wenn ihr
Verlangen sie auf einen falschen Weg schickt, darf man nicht
erwarten, daß sie ihren Irrtum erkennen und umkehren…
O nein, wenn sie sich einmal für etwas entschieden haben,
folgen sie diesem Kurs, selbst wenn er sie direkt ins Verderben
führt. Und alles im Namen der Liebe! Sie setzen alles - auf
die hauchdünne Chance hin, den Venus-Wurf zu
schaffen.«
    »Bist du sicher,
daß du von Clodia sprichst? Oder könnte es sein,
daß du eher dich selbst beschreibst,
Catull?«
    Er verfiel in ein so
langes Schweigen, daß ich dachte, er wäre eingeschlafen,
bis er murmelte: »Morgen spricht Cicero.«
    »Was?«
    »Bei dem
Prozeß.«
    »Sie hätte
es nie mit ihm aufnehmen dürfen. Cicero ist ein
gefährlicher Mann.«
    »Ich weiß.
Ich habe gesehen, was er mit Catilina gemacht hat, nachdem er
beschlossen hatte, ihn zu vernichten. Dazu brauchte er nichts als
Worte.«
    »Clodia glaubt,
am Ende reduziere sich alles auf körperliches Verlangen. Sie
begreift die Macht des Wortes nicht. Deswegen gefallen ihr auch
meine Gedichte nicht.« Er schwieg und sagte dann:
»Cicero war auch einmal verliebt in sie. Wußtest du
das?«
    »Ich habe
diesbezüglich einmal ein sehr vages Gerücht gehört,
aber es klang absurd für mich. Cicero verliebt in jemand
anderen als sich selbst?«
    »Jedenfalls
vernarrt. Er war ein enger Freund ihres Mannes Quintus. Er hat sie
ständig besucht, als Quintus noch lebte und das Haus
noch… nun ja, respektabel genug war, daß ein Mann wie
Cicero dort verkehren konnte. Clodia war damals noch viel
zurückhaltender; diskreter jedenfalls. Ich glaube, es hat ihr
gefallen, Affären hinter dem Rücken von jemandem zu haben
- die geheimen Treffen, die Gefahr, erwischt zu werden, der gemeine
Kitzel, ihrem Mann Hörner aufzusetzen. Und natürlich kann
eine verheiratete Frau ihrem Liebhaber jederzeit den Rücken
kehren, wenn sie seiner überdrüssig
ist…«
    »Aber Cicero?
Lächerlich. Er verachtet Menschen wie sie.«
    »Gibt es noch
andere Menschen, die so sind wie Clodia?«
    »Du weißt,
was ich meine.«
    »Vielleicht
verachtet er sie jetzt, aber damals… das war während
der schlimmsten Zeit von Clodias Ehe, die letzten Jahre vor
Quintus’ Tod, als die beiden sich ständig gestritten
haben, sogar vor anderen Leuten. Vor allem vor anderen Leuten. Sie
haben über alles gestritten - Clodias Affären, die
Karriere ihres Bruders, Geld, Politik. Ich habe immer gedacht,
daß es das war, was Cicero faszinierte - sie im
Streitgespräch zu erleben. Die Tatsache, daß sie
schön ist, konnte er ignorieren, aber sie war auch
scharfsinnig. Eine sinnliche Schönheit, die mit ihrer scharfen
Zunge einen Mann wie Quintus in Grund und Boden reden konnte - na
ja, Cicero hat jedenfalls eine ziemliche Vernarrtheit für sie
entwickelt. Das passiert Männern wie ihm, die ihre
natürlichen Gelüste vollkommen unter Verschluß
halten, gelegentlich: Auf einmal verlieben sie sich

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