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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Clodias durchscheinende
Seidengewänder stammten, eine offene, vulgäre Anspielung
auf Sex; Nola war berühmt als uneinnehmbare Festung, die nicht
nur Hannibal, sondern auch der Belagerung durch Clodias eigenen
Vater getrotzt hatte. Cos klang dabei wie coitus, Nola wie nolo,
also kein Sex. Mit anderen Worten, was die Dame lüstern beim
Essen versprach, wurde später im Schlafzimmer frigide
verweigert. Mit einem einzigen Wortspiel und ohne es
ausdrücklich zu sagen, hatte Caelius die Vermutung nahegelegt,
daß Clodia nicht nur eine Verführerin war, sondern auch
eine Frau, die mit den Männern spielte, ohne am Ende wirklich
etwas zu geben, und mit der er selbst nie geschlafen hatte,
während er die Richter gleichzeitig an eine militärische
Niederlage ihres Vaters erinnerte, die Belagerung der Festung Nola.
Nach einer kurzen Pause gab es erneut donnernden Beifall, nachdem
weitere Zuhörer begriffen hatten, was für einen Edelstein
prägnanter Formulierungskunst Caelius abgeliefert
hatte.
    Ich sah, daß
Catull weder lachte noch applaudierte. »Wirklich ziemlich
gerissen«, bemerkte ich und fragte mich, ob er das Wortspiel
verpaßt hatte.
    »Danke«,
murmelte er, offenbar ohne mich gehört zu haben. Sein Blick
war auf Clodia gerichtet, der sichtlich unbehaglich zumute war.
Catull lächelte traurig.
    Caelius entwickelte
die Metapher weiter. Genauso wie ein Mann sich in der Nachbarschaft
Nolas aufhalten konnte, ohne ihre Mauern zu überwinden
(weiteres Gelächter von denjenigen, die den Witz erst jetzt
verstanden hatten), so könne man sich in der Nähe von
Neapolis oder Puteoli aufhalten, ohne sich deswegen der
Organisation von Übergriffen auf ausländische Gäste
schuldig zu machen, oder einen nächtlichen Spaziergang auf dem
Palatin unternehmen, ohne deswegen unterwegs einen Botschafter zu
ermorden. »Ist es schon so weit gekommen«, fragte
Caelius, »daß nicht die Verbindung mit, sondern die
bloße geographische Nähe zu einem Verbrechen als Beweis
der Schuld gilt? Müssen die Feinde eines Mannes jetzt nur noch
jeden seiner Schritte verfolgen, alle Verbrechen, die sich
zufällig in der unmittelbaren Nachbarschaft ereignen,
aufzeichnen und ihn dann dieser Vergehen anklagen, weil er kein
Alibi hat? Mir scheint, selbst die unfähigsten Advokaten
würden sich nicht erhoffen, daß ein römisches
Richterkollegium diese Art von »Beweisführung«
ernst nimmt. Schlußfolgerungen sollten sich darauf
gründen, was man sieht und weiß, nicht auf Unsichtbarem
und Vermutungen.«
    Er zog einen kleinen
Gegenstand aus den Falten seiner Toga. Einige Zuschauer in den
ersten Reihen lachten laut, als sie ihn erkannten. »Welchen
Inhalt«, fuhr Caelius fort und hielt das Objekt hoch, so
daß es in der Sonne glitzerte, »würde man in einer
Pyxis wie dieser vermuten? Eine medizinische Tinktur, einen
kosmetischen Puder oder vielleicht eine parfümierte Salbe -
etwas, was jeder mit in die Bäder nehmen könnte.
Zumindest würde das ein vernünftiger Mensch annehmen.
Eine Person von morbiderer Geisteshaltung könnte hingegen
argwöhnen, daß das Döschen etwas anderes
enthält - Gift vielleicht. Vor allem dann, wenn diese Person
selbst mit der Anwendung von Giften vertraut ist.« Aus der
Entfernung konnte ich den Gegenstand natürlich nicht erkennen,
doch in meiner Phantasie sah ich eine Pyxis aus Bronze mit leicht
erhobenen Griffen und Intarsien aus Elfenbein - identisch mit jener
Pyxis, die Caelius’ Vertrauter Licinius in den Bädern
des Senia bei sich gehabt hatte und die mit unaussprechlichem
Inhalt vor Clodias Tür deponiert worden war, während sie
selbst vergiftet darniederlag.
    Wieder brandete
Gelächter auf. Ich sah Clodia an. Ihre Augen loderten, und ihr
Kiefer war starr wie Granit.
    »Und ein
besonders lüsterner Geist könnte sich als Inhalt dieser
kleinen, unschuldigen Pyxis noch etwas viel Skandalöseres
vorstellen - ein Pfand verausgabter Lust, möglicherweise
hinterlegt von einem frustrierten Liebhaber, der es
überdrüssig war, sich an Nolas Mauern
abzumühen.« Diese Bemerkung quittierte die Menge mit
lautem Gejohle. Offenbar hatte sich die Geschichte von der Pyxis
und ihrem obszönen Inhalt bereits in der Stadt verbreitet. Wer
hatte eine derartig skandalöse Geschichte weitergetragen - ein
Sklave aus Clodias Haus? Oder der Mann, der ihr die Dose geschickt
hatte? Der Ausdruck in Clodias Gesicht ließ erkennen,
daß Caelius’ unverfrorene Anspielung auf das
unanständige Präsent sie vollkommen unvorbereitet
getroffen

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