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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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nach etwas zu essen, wie die wilden Tiere rudelweise durch
die Straßen geisterten.
    Eco seufzte.
»Hast du etwas gegessen, Zotica? Ich habe meiner Frau gesagt,
sie solle dafür sorgen, daß du etwas zu essen
bekommst.«
    Das Mädchen
schüttelte den Kopf. »Ich bin zu müde zum Essen.
Ich will schlafen.«
    »Ich auch. Bald
darfst du schlafen. Aber jetzt möchte ich, daß du dich
mit jemandem unterhältst.«
    Das Mädchen sah
mich gleichgültig an.
    »Das ist mein
Vater«, fuhr Eco fort, obwohl ich mich fragte, was das Wort
einem Kind bedeuten konnte, das wahrscheinlich nie so etwas wie
einen Vater gekannt hatte. »Ich will, daß du ihm
erzählst, was du mir erzählt hast. Über den Mann,
der im Haus deines Herrn hier in Rom zu Gast war.«
    Die bloße
Erwähnung Dios ließ sie erzittern. »Darüber,
wie er gestorben ist, meinst du?«
    »Nicht nur das.
Ich will, daß du ihm alles erzählst.«
    Das Mädchen
starrte verloren in die Ferne. »Ich bin so müde. Mein
Bauch tut weh.«
    »Zotica, ich
habe dich hierhergebracht, damit du meinem Vater von Dio
erzählen kannst.«
    »So habe ich ihn
nie genannt. Ich kannte nicht einmal seinen Namen, bis du ihn mir
gesagt hast.«
    »Er kam als Gast
ins Haus deines Herrn und blieb eine Weile.«
    »Bis er
gestorben ist«, sagte sie dumpf.
    »Er hat dich
mißbraucht.«
    »Warum hat der
Herr das zugelassen? Ich habe gedacht, daß der Herr es nicht
wüßte, aber er wußte es doch. Es war ihm einfach
egal. Dann bin ich mißhandelt worden, und er wollte mich
loswerden. Keiner will mich mehr haben.«
    »Schau dir ihre
Handgelenke an, Papa. Das Seil hat sich so tief in ihr Fleisch
geschnitten, daß es Narben hinterlassen
hat.«
    »Weil ich daran
gezerrt habe«, murmelte das Mädchen und rieb sich ihre
Handgelenke. »Er hat sie fest zusammengebunden und mich dann
an einen Haken gehängt.«
    »Einen
Haken?« fragte ich.
    »An den
Wänden in seinem Zimmer waren Haken aus Eisen. Er hat meine
Handgelenke gefesselt und mich, die Arme nach oben, an den Haken
gebunden, so daß ich mit den Zehen kaum auf die Erde kam.
Meine Handgelenke haben geblutet. Das Seil zog sich immer fester,
wenn er mich gedreht hat. Er hat mich erst von hinten, dann von
vorne benutzt. Er hat mich geknebelt und dann geschlagen, zerkratzt
und gestoßen.«
    »Du solltest die
Narben sehen, Papa, doch ich würde mich schämen, sie
für dich ihr Kleid lüften zu lassen. Ist dir klar,
daß sie über Dio redet?« Eco sah mich anklagend
an, als ob ich für die heimlichen Laster eines Mannes
verantwortlich war, den ich so viele Jahre bewundert hatte. Mein
Gesicht wurde heiß.
    »Ein
Haken«, flüsterte ich.
    »Was?«
    »Ein
Haken.«
    »Ja, Papa, stell
dir das vor!«
    »Nein, Eco, es
ist etwas anderes…«
    »Ja, die
Geschichte geht noch weiter. Los, Zotica. Erzähl ihm von jenem
letzten Abend.«
    »Nein.«
    »Du mußt.
Danach lassen wir dich in Ruhe, ich verspreche es. Du kannst so
lange schlafen, wie du willst.«
    Das Mädchen
schauderte. »Er kam herein, angezogen…« Sie
verzog das Gesicht und zuckte hilflos die Schultern. »Wie
eine Frau, nehme ich an. Er sah schrecklich aus. Er zwang mich, mit
auf sein Zimmer zu kommen und mein Kleid auszuziehen.
»Benutze es als Lappen«, sagte er. »Wisch mir
damit die alberne Schminke ab.‹ Er saß auf dem Stuhl,
während ich sein Gesicht abwischte. Dabei unterbrach er mich
immer wieder, befummelte mich, steckte mir die Hand zwischen die
Beine, und ich mußte mich Vorbeugen - wie immer.« Das
Mädchen schüttelte den Kopf und schlang die Arme um ihren
Körper.   
    »Doch dann
stieß er mich plötzlich weg. Er verzerrte das Gesicht und hielt sich
den Bauch. Er kroch ins Bett, und ich mußte mich neben ihn
legen. Weil ihm kalt wäre, sagte er. Doch er fühlte sich
ganz heiß an. Er drängte sich nackt an mich, und ich
hatte das Gefühl, überall, wo er mich berührte,
verbrannt zu werden. Dann fing er so heftig an zu zittern,
daß seine Zähne klapperten, und er befahl mir, weitere
Decken zu holen. Außerdem sollte ich die Lampen kleiner
drehen, weil das Licht seinen Augen weh tat. Er wollte aufstehen,
aber er war zu schwach. Ich habe ihn gefragt, ob ich Hilfe holen
sollte, doch er verneinte. Er hatte Angst. So große Angst,
wie ich sie noch nie bei einem Menschen gesehen habe. Nicht einmal
bei einem Sklaven, der ausgepeitscht werden soll. So große
Angst, daß ich fast aufhörte, ihn zu hassen. Er
hüllte sich in die Decken, wiegte seinen Körper hin und
her, schlang die Arme um seinen

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