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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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auf ihn eingestochen.
Warum?«
    »Vielleicht war
es Titus Coponius selbst, der, weil er nicht wollte, daß
bekannt wurde, daß Dio unter seinem Dach vergiftet worden
war, seinen Tod als das Werk von Attentätern hinstellte. Aber
darum geht es doch in Wirklichkeit gar nicht,
oder?«
    »Was meinst du
damit, Eco?«
    »Entscheidend
ist, daß Dio vergiftet wurde.«
    »Aber wie? Wo?
Von wem? Wir wissen, daß er sich weigerte, das Essen in
Coponius’ Haus auch nur anzurühren. Und er hatte mein
Haus erst kurz vorher verlassen, mit vollem Bauch! So vorsichtig wie er war,
hätte er an jenem Abend bestimmt nicht noch etwas zu sich
genommen.«
    »Genau,
Papa.«
    »Eco, sag mir,
was du meinst!«
    »Du mußt
mich deswegen nicht anbrüllen, Papa. Du denkst doch
dasselbe.«
    Ich blieb wie
angewurzelt stehen. Wir starrten uns an.
»Vielleicht.«
    »Die Symptome,
die das Mädchen beschrieben hat: Wenn es Gift war, was meinst
du -«
    »›Haar
der Gorgonen‹«, sagte ich.
    »Ja, das denke
ich auch. Vor einiger Zeit habe ich dir ein wenig ›Haar der
Gorgonen« zur Aufbewahrung gegeben, weil ich es wegen der
Zwillinge nicht im Haus haben wollte. Erinnerst du
dich?«
    »O ja«,
sagte ich. Mein Mund war trocken.
    »Hast du es
noch? Ist es noch dort, wo du es deponiert hast?«
    Mein Schweigen gab ihm
die Antwort. Eco nickte langsam. »Das letzte Mahl, das Dio zu
sich genommen hat, hat er in deinem Haus gegessen,
Papa.«
    »Ja.«
    »Das
heißt, er muß auch dort vergiftet worden
sein.«
    »Nein!«
    »Hat jemand das
›Haar der Gorgonen« benutzt, das ich dir gegeben habe?
Hast du es noch oder nicht?«
    »Clodia!«
flüsterte ich. »Dann war ihre Vergiftung doch nicht
vorgetäuscht. Das ›Haar der Gorgonen«, das sie
mir gezeigt hat, könnte also doch von Caelius stammen.
Jedenfalls bestimmt nicht von Bethesda - nicht, wenn das
›Haar der Gorgonen« aus meinem Haus schon verbraucht
worden war…«
    »Was murmelst du
da, Papa?« 
    »Aber Caelius
kann Dio nicht getötet haben, wenn jener schon vergiftet
worden war. Du hast recht, er ist unschuldig, zumindest dieses
Verbrechens…«
    »Ich kann dich
nicht verstehen, Papa.« Eco schüttelte müde und
verzweifelt den Kopf. »Ich kann nicht begreifen, warum
überhaupt jemand in deinem Haus Dio hätte vergiften
wollen. Wer kannte den Mann und hatte darüber hinaus auch noch
einen Grund, ihm den Tod zu wünschen?«
    Ich dachte an meinen
alten ägyptischen Lehrer, der heimlich junge Sklavinnen
fesselte und mißbrauchte, sie an den Handgelenken an Haken
hängte. Ich erinnerte mich der Frauen in meinem Garten, die
Geheimnisse über Männer ausgetauscht hatten, die sie
vergewaltigt hatten, als sie noch sehr jung waren. Ich dachte an
Bethesda und ihre Zeit als Sklavin in Alexandria, an ihren
angesehenen Herrn, der ihre Mutter so brutal mißhandelt
hatte, daß sie an den Folgen gestorben war, und der dasselbe
mit Bethesda getan hätte, wenn sie sich nicht gewehrt
hätte und statt dessen auf einem Sklavenmarkt gelandet
wäre, wo ein armer junger Römer, von ihrer Schönheit
betört, seine Börse leerte, ohne sich je träumen zu
lassen, daß er sie mit nach Rom und später sogar zur
Frau nehmen würde, was sie verpflichtete, seinen Gästen
das Essen zu servieren, wobei sie die erste üppige Portion
natürlich einem geschätzten Besucher wie Dio aus
Alexandria auftischen würde…
    Du hast mich
vorsätzlich getäuscht! Leugnest du das ? hatte ich sie
gefragt.
    Und sie hatte
geantwortet: Nein, Mann. Das leugne ich nicht.
    »Und ich dachte,
ich hätte alles verstanden!«
    «Papa, sprich
lauter -«
    »Kybele, hilf
uns!« Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich
kenne die Antwort, Eco.«

25
    Eco bestürmte
mich um eine Erklärung, aber ich schüttelte nur stumm den
Kopf. Schweigend gingen wir durch die heißen,
bevölkerten Straßen der Subura. Am Himmel war keine
einzige Wolke zu sehen, die Sonne stand direkt über uns und warf ein
grelles Licht auf eine schattenlose Welt. So hell beleuchtet
wirkten die Gegenstände merkwürdig vage. Konturen
verschwammen, und der Blick in der Ferne war ohne Tiefe. Die
Menschenmassen, die gemeinsam den Feiertag begingen, erschienen mir
gesichtslos. Ich starrte sie an, ohne sie wirklich zu sehen. Alt,
jung, männlich, weiblich, lächelnd oder finster blickend,
alles war verschwommen und gleichermaßen fremd. Die Stadt
selbst schien irreal, traumartig und absurd. Als wir das Forum
erreichten und uns wieder zu der riesigen Menschenmenge gesellten,
die den Prozeß gegen

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