Römischer Lorbeer
Sie hat gefordert, er möge seine
Rechnungsbücher offenlegen. Zu diesem Punkt kann ich mich kurz
fassen. Es gibt keine Rechnungsbücher! Rechnungsbücher
führt doch niemand, der noch der väterlichen Gewalt
untersteht. Die Anklage behauptet, Caelius habe sich hoch
verschuldet, wird jedoch dafür keinen Beweis erbringen
können. Man hat ihm verschwenderischen Aufwand vorgeworfen,
weil er in einer Luxuswohnung auf dem Palatin gelebt hat, die er
(so wollen sie uns erzählen) für die unglaubliche Summe von
dreißigtausend Sesterzen gemietet hätte. Die Zahl ist
absurd! Zehntausend ist weit realistischer. Begreift ihr nicht, was
hier vor sich geht, wenn ihr hört, daß Clodius das Haus
seit kurzem zum Verkauf anbietet und weit mehr als seinen
tatsächlichen Wert verlangt? Da hat die Anklage dem Clodius
wohl ein bißchen unter die Arme greifen wollen und etwas zu
seinen Gunsten geflunkert, damit irgendein Tor das Dreifache dessen
bezahlt, was dieser rattenversuchte Schandfleck in der Landschaft
wirklich wert ist!«
Die Menge lachte.
Cicero schüttelte in gespieltem Entsetzen den Kopf,
während er ein Grinsen über die eigene Gerissenheit kaum
unterdrücken konnte. Ein wichtiger Prozeß über die
Ermordung ausländischer Gesandter war zu einer Anhörung
über maliziöse weibliche Rache und halbseidene
Immobiliengeschäfte verkommen. War Clodius des Mordes
angeklagt oder die Clodier für ihre Laster? Doch die Menge
schien dem Pfad, den Cicero eingeschlagen hatte, bereitwillig zu
folgen, solange er sie nur gut unterhielt.
»Ihr habt Marcus
Caelius einen Vorwurf daraus gemacht, daß er aus dem Haus
seines Vaters auf den Palatin gezogen ist, als ob er deswegen ein
schlechter Sohn wäre. Dabei hat er dies nicht nur mit
Erlaubnis, sondern sogar auf Zureden seines Vaters getan. Ihr habt
angedeutet, dieser Umzug wäre geschehen, damit er wilde Gelage
veranstalten konnte, während er in Wahrheit eine politische
Karriere anstrebte und eine Wohnung brauchte, die näher am
Forum lag. Obwohl ihr absolut recht habt, wenn ihr sagt, es
wäre ein Fehler gewesen, diese Wohnung auf dem Palatin zu
nehmen, denn dort nahm alles Übel - oder vielmehr alle Rederei
- seinen Anfang. Aber dorthin verschlug es unseren jungen Jason nun
einmal - und damit auch in die Nachbarschaft dieser Medea vom
Palatin.«
»Medea vom
Palatin« - diese Wendung hatte ich schon einmal gehört,
genauso wie jemand Clodia schon vor Caelius
»Clytemnestra« genannt hatte. Es war Catull gewesen, in
der Nacht, als
er mich zum ersten Mal in die geile Kneipenwirtschaft mitgenommen
hatte. Wer nennt sie so? hatte ich ihn gefragt. Ich! Ich habe mir
diese Schmähungen gerade ausgedacht, einfach so. Was
hältst du davon? Ich brauchte ein paar neue Beschimpfungen,
wenn ich ihre Aufmerksamkeit aufs neue erringen
will…
Ich drehte mich um und
starrte Catull an, doch der blickte starr geradeaus.
»Ich werde auf
diese Medea und ihre Rolle in dieser Affäre zum angemessenen
Zeitpunkt zurückkommen«, sagte Cicero mit leicht
drohendem Unterton. »Für den Augenblick jedoch
möchte ich ein paar Worte über jene Zeugen und die
diversen Lügengebäude verlieren, die aufgebaut wurden, um
die Anklage zu stützen. Eine dieser Geschichten bezieht sich
auf den Senator Fufius. Der alte Herr soll angeblich auftreten und
bezeugen, er sei von Caelius bei den Oberpriesterwahlen
tätlich angegriffen worden. Ihn will ich, wenn er auftritt,
zunächst fragen, warum er nicht augenblicklich gerichtliche
Schritte eingeleitet hat. Tritt er jetzt aus eigenem Antrieb oder
auf Betreiben jener vor, die hinter der Anklage stehen? Wenn
letzteres der Fall ist, wie wir alle annehmen, wirft es ein
trauriges Licht auf die Spielleiter dieses abgeschmackten Dramas,
daß sie nur einen einzigen Senator dazu drängen konnten,
die Maske eines Mimen aufzusetzen und die Zeilen aufzusagen, die
sie für ihn geschrieben
haben!
Auch die andere
Gattung von Zeugen, die angeblich beeiden werden, daß sich
Caelius an ihren tugendhaften, von einem Gastmahl heimkehrenden
Ehefrauen habe vergreifen wollen, beeindrucken mich wenig. Das
werden gewiß Ehrenmänner sein, die so etwas unter Eid zu
behaupten wagen, zugleich aber zugeben müssen, daß sie
niemals den Versuch gemacht haben, sich für solche
Übergriffe Genugtuung zu verschaffen, nicht einmal durch eine
private Absprache oder außergerichtliche Regelung mit
Caelius.
Angeblich werden noch
weitere Zeugen mit schockierenden Enthüllungen auftreten.
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