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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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einem dieser Dramen zuzusehen, in
dem die Handlung immer verworrener und absurder wird, bis es keinen
anderen Ausweg aus der Wirrnis mehr gibt, als einen Gott oder Boten
zu schicken, der einen Monolog hält, in dem alles erklärt
wird. Der Bote aus der Kulisse war bereits eingetroffen: Eco,
gemeinsam mit Zotica. Ich kannte jetzt die Wahrheit über Dios
Tod, doch niemand auf der Bühne schien sie zu kennen - weder
Cicero noch Caelius noch Clodia. Und mir war es unmöglich, den
deus ex machina zu spielen und zu enthüllen, was ich
wußte. Wie könnte ich meine eigene Frau
beschuldigen?
    Ich konnte nur hilflos
und stumm zusehen, während die Schlacht zwischen Clodia und
Caelius ihren Höhepunkt erreichte. Bei Attacke und
Gegenattacke waren bereits Gift, Täuschung und falsche
Anschuldigungen zum Einsatz gekommen. Jetzt war Cicero an der Reihe
- ein alter, ergrauter General, der den entscheidenden Schlag
führen sollte. Seine Waffe würde das Wort sein. Sie
begreift die Macht der Worte nicht, hatte Catull über Clodia
gesagt. Sie sollte es lernen, und ganz Rom würde Zeuge
werden.
    »Richter«,
begann Cicero, neigte respektvoll den Kopf und ließ dann
seinen Blick an den Gesichtern der Geschworenen entlangwandern,
»stellt euch vor, es wäre jemand hier, der unsere
Gesetzes- und Gerichtspraxis nicht kennt. Er müßte sich
verwundert fragen, was dieser Fall denn für eine Bedrohung
darstellt. Denn während sämtliche Gerichtsverfahren an
den Tagen der Feste und Spiele ruhen, wird allein dieser
Prozeß durchgeführt. Und dieser Jemand würde nicht
daran zweifeln, daß man den Angeklagten eines ungeheuren
Verbrechens beschuldigt, das, falls es ungeahndet bliebe, den Staat
in seinen Grundfesten bedroht!
    Wenn der Betreffende
dann von dem Gesetze hörte, wonach gegen aufrührerische,
verbrecherische Bürger, die bewaffnet den Senat belagern,
Magistraten gegenüber Gewalt anwenden oder sich gegen den
Staat erheben, ungeachtet von Feiertagen zu verhandeln ist,
würde er ein solches Gesetz sicher nicht tadeln, das
schließlich dem Schutze des Staates selbst dient. Doch er
würde nach dem Verbrechen fragen, das hier abgeurteilt werden
soll. Man stelle sich nun seine Reaktion vor, wenn er erfährt,
daß hier über keine Untat, kein freches Wagnis, keinen
Gewaltstreich verhandelt wird, sondern ein junger Mann,
hervorragend begabt, strebsam und angesehen, vom Sohn ausgerechnet
des Mannes angeklagt wird, gegen den er selbst kürzlich
prozessiert hat. Und daß obendrein die ganze Anklage
organisiert und finanziert wurde von einer Dirne.«
    Die Menge hielt den
Atem an. Es gab ein paar vereinzelte Lacher, die in der allgemeinen
Stille besonders laut nachhallten. Caelius hatte kunstvolle
Andeutungen über Clytemnestra gemacht und Wortspiele über
Cos und Nola ersonnen. Er hatte sogar die Pyxis hochgehalten und
auf die Geschichte mit dem Döschen voller Sperma angespielt.
Doch Cicero hatte Clodia gleich zu Beginn seiner Rede offen eine
Hure genannt. Es war Ankündigung und Warnung zugleich:
Nichts würde zurückgehalten
werden! Ich versuchte Clodias Reaktion zu erkennen, doch meine
Sicht war durch nachdrängelnde Schaulustige
verdeckt.
    »Was würde
unser hypothetischer Beobachter von alldem halten?« fuhr
Cicero fort. »Er würde zweifelsohne Nachsicht mit dem
Hauptankläger üben, der einen derart dürftigen Fall
präsenziert - Atratinus ist jung und unerfahren, seine
Sohnesliebe verständlich. Des weiteren würde unser
Beobachter meinen, man müsse den Kaprizen der betreffenden
Frau einen Riegel vorschieben oder sie zumindest auf ihr
Schlafzimmer beschränken. Euch aber, gute Richter, hielte er
für vielgeplagte Leute, die ihr nicht einmal an einem freien
Tag frei habt!«
    Das löste in den
ersten Reihen zustimmendes Gelächter aus und lockerte die
angespannte Atmosphäre ein wenig auf. Nur die Bank der
Ankläger blieb ernst. Ich konnte einen kurzen Blick auf
Clodias Gesicht erhaschen. Es wirkte starr wie eine
Maske.
    Cicero fuhr mit einer
Verteidigung von Caelius’ Charakter fort. Er tat alle
politischen Differenzen, die ihn und seinen jungen Günstling
in der Vergangenheit getrennt haben mochten, als belanglos ab. Das
alles liege nun hinter ihnen. Wenn Caelius Fehler gemacht habe, sei
das sein gutes Recht wie das jeden jungen Mannes, solange er sich
integer und ehrlich verhalten habe.
    »Die Anklage
aber hat ihm Schulden vorgeworfen, die ihn angeblich verwundbar
für schlechte Einflüsse und verbrecherischen Umgang
gemacht hätten.

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