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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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einem schnellwirkenden Gift zu sprechen! Wieviel
weiß sie darüber? Genug, offenbar! Wenn sie in den
Zeugenstand tritt, wird sie uns vielleicht erzählen, wieviel
genau sie über Gift weiß und woher. Wenn ich daran
denke, daß sie noch immer das Haus bewohnt, in dem Celer
starb, und was sie seither daraus gemacht hat, wundere ich mich,
daß nicht die Wände selbst empört rebelliert haben
und über ihr zusammengestürzt sind!«
    Cicero senkte lange
den Kopf, scheinbar von seinen Gefühlen überwältigt.
Was Clodia anging, hätte niemand, der sie in diesem Moment
ansah, geahnt, daß sie eine berühmte Schönheit war.
Ihre Knochen schienen fast durch ihre Gesichtshaut zu stoßen,
ihre Augen glühten wie Kohlen, und ihre blutleeren Lippen
waren zu einem harten Strich zusammengepreßt.
    »Verzeiht,
Richter«, sagte Cicero, nachdem er sich wieder gefaßt
hatte. »So weit ist es gekommen, daß mir durch die
Erinnerung an einen hochangesehenen und tapferen Freund die Stimme
vor Tränen bricht, und ich sehe, auch einige von euch sind
tief berührt. Nun aber zurück zu jener erbärmlichen
und geschmacklosen Angelegenheit, um sie ein für allemal zu
erledigen.
    Nun also zu dem Gift:
Angeblich hat Caelius es, nachdem er es an seinem
unglücklichen Sklaven ausprobiert hatte, seinem Freund
Licinius gegeben, der heute hier stolz unter dem Anhang des Caelius
sitzt, trotz der Verleumdungen gegen ihn ohne jede Furcht, sein
Gesicht zu zeigen. Mit den Sklaven sei verabredet worden,
daß sie zu den Bädern des Senia kommen sollten. Dort
würde sich auch Licinius einfinden, um ihnen das Gift in einer
Büchse zu übergeben. Die Sklaven aber hinterbrachten
ihrer Herrin den üblen Plan, und Clodia wollte Freunde
schicken, die sich dort versteckten und, wenn Licinius gekommen
sei, unvermutet hervorspringen und den Mann festhalten sollten. So
lautet zumindest ihre Version.
    Ich warte jedenfalls
schon lange mit Spannung darauf, was das für wackere
Männer sein werden, die als Zeugen auftreten für das
Gift, das an Ort und Stelle übergeben werden sollte. Es sind
nämlich bis jetzt noch keine Namen genannt worden. Ich zweifle
freilich nicht, daß es sich um höchst würdige
Personen handelt, einmal, weil sie das Vertrauen dieser Dame
genießen, und dann, weil sie die überaus ehrenwerte
Aufgabe übernommen haben, am hellichten Tag in den Bädern
herumzulungern.«
    Ich spürte, wie
es mir kalt den Nacken hinunterlief. Cicero sprach unter anderem
von mir. Auch ohne daß er meinen Namen erwähnte,
fühlte ich mich von seiner beißenden Verachtung verletzt
und bloßgestellt. Wie erst mußte sich Clodia
fühlen? 
    »Doch was soll
ich lange reden über die Ehrbarkeit dieser Zeugen«, fuhr
Cicero fort, »ihr sollt selbst erfahren, wie tüchtig und
umsichtig sie sind! Wir hören: ›Sie hielten sich im
Bade versteckt und beobachteten alles.‹ Hervorragend, diese
Zeugen. Der Typus beobachtet gern. ›Dann sprangen sie
blindlings los.‹ Welche Kaltblütigkeit dieser Leute! So
lautet ja eure Erfindung: Licinius hielt die Büchse in der
Hand, wollte sie übergeben, hatte es aber noch nicht getan,
als diese vortrefflichen, jedoch ungenannten Zeugen jählings
hervorstürzten. Licinius aber zog seine Hand wieder
zurück und suchte sein Heil in der Flucht!«
    Cicero schüttelte
den Kopf und verzog angewidert das Gesicht. »Wie groß
ist doch die Kraft der Wahrheit: Gegen die Schlauheit und
Verschlagenheit der Menschen, gegen ihre Ränke und hinterhältigen
Lügengespinste verteidigt sie sich mühelos durch sich
selbst! So geht es auch in dieser ganzen Schmierenkomödie - in
Szene gesetzt von einer gerissenen Fabulierkünstlerin, die
einen reichen Stoff solcher Fabeleien auf Lager hat: Da fehlt ein
roter Faden, da läßt sich kein richtiger Schluß
finden! Wie konnte Licinius dem Zugriff jener Augenzeugen
entschlüpfen, wo sie doch versteckt bereitstanden und er
keinerlei Argwohn hegte? Wieso wollten sie ihn überhaupt bei
der Übergabe des Giftes ergreifen? Gesetzt den Fall, er
hätte das Gift schon übergeben, hätte Licinius doch
lauthals um Hilfe rufend seine Unschuld beteuert und rundweg
abgeleugnet, die bewußte Büchse je gesehen zu haben.
Warum haben sie ihn nicht in dem Moment gepackt, als er die
Bäder betrat, und ihn im Beisein aller Gäste zu einem
Geständnis gezwungen? Statt dessen gelang Licinius die Flucht,
während die Truppe der Dame, übereinander stolpernd,
seine Verfolgung aufnahm. Am Ende gibt es keine Pyxis, kein Gift,
keinen

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