Römischer Lorbeer
blickenden Freunden nach
zu urteilen, die um sie herumwuselten und nervös bald hierhin,
bald dorthin sahen, das Gesicht von Clodia abgewandt, als ob ein
Blick aus ihren gehetzten Augen genügen würde, einen Mann
zu Stein erstarren zu lassen.
26
Nach Ciceros Rede
folgte eine Verhandlungspause, in deren Anschluß der
Vorsitzende Richter erklärte, daß man nun mit den
Zeugenaussagen beginnen wolle. In Anbetracht der Vielzahl der
Zeugen ging man allgemein davon aus, daß der Prozeß
sich noch mindestens einen weiteren Tag hinziehen würde. Doch
als das Gericht wieder zusammentrat, mußten die Ankläger
beschämt bekanntgeben, daß die meisten, ja praktisch
alle vorgesehenen Zeugen nicht erschienen waren. Das Gefolge junger
Männer, das die Bänke um Clodia gefüllt hatte, war
verschwunden, ebenso wie Clodia selbst.
Caelius’
Anhänger konnten ihren Triumph kaum verhehlen. Selbst
Caelius’ in Lumpen gekleideter Vater sah zufrieden
aus.
Eine Handvoll Zeugen
wagte es dennoch zu erscheinen -einige der empörten
Ehemänner, deren Frauen von Caelius beleidigt worden waren,
Senator Fufius und sogar ein paar der »tapferen Helden«
aus den Bädern des Senia. Die Ankläger, die
augenscheinlich der Mut verlassen hatte, befragten sie nur
oberflächlich. Cicero nahm sie mit müheloser Gewandtheit
ins Kreuzverhör, hielt sich jedoch mit seinem Witz
zurück, um ihn nicht an derart unbedeutende Gegner zu
verschwenden. Die Menge begann sich aufzulösen. Mit Ciceros
Rede hatte das Drama seinen Höhepunkt erreicht, und nur die
eingefleischtesten Anhänger von Gerichtsprozessen harrten aus,
um das Urteil abzuwarten.
Die Richter gaben ihre
Stimme ab und verkündeten das Urteil. Marcus Caelius wurde
für nicht schuldig befunden.
Ich spürte, wie
eine große Last von mir abfiel. Was, wenn sie ihn in allen
Anklagepunkten einschließlich der Ermordung Dios für
schuldig erklärt hätten? Wie hätte ich dann stumm
bleiben können? Doch das war nicht geschehen und die Krise
damit abgewendet. Was aber war mit dem Giftanschlag auf Clodia?
Cicero hatte argumentiert, er wäre von Clodia selbst
inszeniert worden, ein weiteres Glied in der Kette ihrer
Verschwörung, sich an Caelius zu rächen, und die Richter
hatten sich seiner Meinung angeschlossen. Aber was, wenn Caelius
wirklich versucht hatte, sie zu vergiften? Mußte ich nicht
meine Stimme erheben?
Doch das Urteil war
gesprochen, und niemand konnte es rückgängig machen. Ich
sagte mir, daß es mir von Anfang an nur darum gegangen war,
die Wahrheit über Dios Tod zu ergründen. Was Caelius und
Clodia und die Wahrheit über ihre Intrigen anging, war ich
gewiß keinem von beiden etwas schuldig.
*
Nach der
Urteilsverkündung brachen Caelius’ Anhänger in
Jubel aus und scharten sich um ihn. Die Ankläger und ihre
Assistenten stahlen sich mit deprimierter Miene davon. Einige
Richter gratulierten Caelius zu seinem Freispruch und Crassus und
Cicero zu ihren Reden. Die Zuschauer zerstreuten sich in der Stadt,
um zu sehen, welche Feierlichkeiten zu Ehren der Großen
Mutter noch andauerten. Sklaven klappten die Stühle zusammen
und trugen sie fort.
»Wohin gehen wir
jetzt?« fragte Eco.
»Ich glaube, ich
möchte eine Weile allein sein«, sagte ich. »Nimm
Belbo mit. Ich brauche keinen Leibwächter. Der Prozeß
ist vorbei, ich bin für niemanden mehr eine
Gefahr.«
»Trotzdem, Papa,
es ist ein Feiertag. Die Leute werden dann manchmal unangenehm
-«
»Bitte, Eco,
nimm Belbo mit. Oder besser noch, schicke ihn heim zu Bethesda. Ich
würde mich besser fühlen, wenn ich weiß, daß
er dort ist, solange ich nicht daheim bin.«
»Wo gehst du
hin?«
»Ich weiß
nicht genau.«
»Warum gehst du
nicht auch nach Hause?«
Ich schüttelte
den Kopf. »Noch nicht.«
»Papa, was ist
eigentlich los?« Er senkte seine Stimme. »Wenn Dio in
deinem Haus vergiftet wurde, wer hat es getan? Und warum? Du
weißt es, nicht wahr?«
Ich schüttelte
den Kopf. »Wir reden später
darüber.«
»Aber, Papa
-«
»Ich werde bei
dir übernachten, wenn du nichts dagegen hast. Die Sklaven
sollen ein Schlafsofa zurechtmachen.«
»Natürlich,
Papa. Bist du sicher, daß ich nicht mit dir kommen soll? Wir
könnten reden.«
»Reden ist nicht
das, was ich im Augenblick brauche. Ich muß nachdenken, und
ich denke klarer, wenn ich allein bin.«
Letzteres erwies sich
als Irrtum. Ich wandelte wie benommen durch die Stadt, ohne zu
beachten, was um mich herum vor sich ging, während meine
Gedanken sich im Kreis
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