Römischer Lorbeer
Vernehmen nach spitzte er die Ohren, zeigte sein
breitestes Grinsen und änderte seinen Weg, um auf die Rufenden
zuzugehen, weil er dachte, die Menge würde ihm
zujubeln.«
»Typisch
Politiker«, bemerkte ich. »Drängt zu seinen
Bewunderern wie ein Kalb zum Euter der Mutterkuh.«
»Aber diesmal war
die Milch sauer. Als er näher kam, verblaßte das
Lächeln auf Pompeius’ Gesicht. Als erstes sah er Clodius
auf dem Sims des Gebäudes auf und ab laufen, zur Menge
sprechen und sich jedesmal vor Lachen ausschütten, wenn der
Pöbel mit dem Ruf ›Pompeius!‹ antwortete. Als
Pompeius nahe genug war, um zu verstehen, was Clodius brüllte,
lief er dunkelrot an.
»Und was hat
Pompeius’ Wangen derart entflammen lassen?«
»Clodius stellte
immer wieder dieselben Fragen, wie bei einem Rätsel, und die
Antwort war immer die gleiche -
›Pompeius!‹«
»Und wie lauteten
diese Fragen?«
»Wie sein Freund
und Mieter Marcus Caelius ist Clodius ein sehr unverfrorener
Mann…«
»Bitte, keine
falsche Bescheidenheit, Frau. Ich habe dich unehrliche Händler
auf dem Markt mit Flüchen belegen hören, bei denen selbst
ein Mann wie Clodius schamvoll errötet
wäre.«
»Du
übertreibst, Mann.«
»Nur ein wenig.
Und?«
Sie beugte sich vor.
»Der Gesang ging ungefähr
so:
Welcher General ist obszön
bis auf die Knochen?
Pompeius!
Wer guckt bei den Paraden den Soldaten untern Rock?
Pompeius!
Wer kratzt sich den Schädel wie ein Affe?
Pompeius!«
Letzteres war eine
Anspielung auf die an sich harmlose Angewohnheit des großen
Feldherrn, sich mit dem Zeigefinger am Hinterkopf zu kratzen, wenn
er in Gedanken versunken war, doch ich konnte mir sehr gut
vorstellen, daß Clodius eine ziemlich beleidigende Pantomime
hingelegt hatte. Die anderen Rätsel waren die üblichen
Schmähungen, die sich gegen jeden beliebigen Politiker oder
General hätten richten können. Alles in allem war ein
solches Gebaren ziemlich lahm und stand auf demselben Niveau wie
Caelius’ Bemerkung über Bestias schuldigen Finger.
Andererseits war Pompeius mit der auf dem Forum herrschenden
Meinungsfreiheit nicht so vertraut wie andere Politiker. Er war
bedingungslosen Gehorsam gewohnt und nicht die öffentlichen
Beleidigungen durch den römischen Pöbel. Generäle
sind in der Regel recht dünnhäutige Politiker.
»Doch am
Ende«, sagte Bethesda, wobei sie ihre Stimme senkte, »war
es Clodius selbst, den es am übelsten getroffen
hat.«
»Wie das?
«
»Einige von Milos
Männern hörten das Geschrei und betraten den Ort des
Geschehens. Bald waren es genug, um Clodius und seine Gefolgsleute
zu übertönen. Ihre Gesänge waren absolut
schockierend.«
»Oh, so
schockierend wahrscheinlich auch wieder nicht«, sagte ich
beiläufig und modellierte in dem Bemühen,
Gleichgültigkeit vorzutäuschen, Täler und Hügel
aus dem Rest meines Hirsebreis.
Bethesda zuckte die
Schultern. »Du hast recht, eigentlich waren sie überhaupt
nicht schockierend, da man all die Gerüchte schon vorher
gehört hatte. Obwohl ich mir vorstellen kann, daß sogar
Clodius sich vor Scham gewunden haben muß, als er hörte,
wie sie vom Mob auf dem Forum gegrölt wurden.«
»Was für
Gerüchte?« sagte ich kapitulierend.
Ȇber
Clodius und seine ältere Schwester. Oder vielleicht sollte ich
besser sagen: Halbschwester.«
»Clodius und
Clodia? O ja, ich habe darüber ein paar häßliche
Witze gehört. Ich hatte allerdings bisher nicht das
Vergnügen, seine zweifellos reizende Schwester persönlich
kennenzulernen, so daß ich es nie wagen würde,
Vermutungen über die Geheimnisse ihres Schlafzimmers
anzustellen. Oder ihrer Schlafzimmer.«
Bethesda schnaubte.
»Warum ihr Römer so ein Getue um die Beziehungen zwischen
einem Bruder und einer Schwester macht, habe ich sowieso nie
begriffen. In Ägypten haben derartige Verbindungen, angefangen
bei den Göttern, eine lange und heilige
Tradition.«
»Ich kann dir
versichern, daß es eine vergleichbare Tradition in Rom nicht
gibt«, sagte ich. »Was genau hat der Mob
gegrölt?«
»Nun, es begann
mit einer Anspielung darauf, daß Clodius sich als Junge an
ältere Männer verkauft hat -«
»Ja, die
Geschichte habe ich schon gehört: Als die Familie nach dem
frühen Tod des Vaters in finanzielle Bedrängnis geriet,
haben die älteren Clodii-Brüder den kleinen Publius
als Lustknaben
vermietet, mit beträchtlichem Erfolg übrigens. Es
könnte natürlich auch eine bösartige Lüge
sein.«
»Natürlich.
Aber der Gesang ging
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