Römischer Lorbeer
ja, wie sie ist - von diesem
Augenblick an hätte er für sie ebensogut gar nicht
existieren können; selbst ihre Klatschlust scheint von diesem
Mord unberührt. Also mußte ich die Einzelheiten selbst
herausfinden, indem ich an den richtigen Stellen ein paar diskrete
Fragen stellte. Das war zwar nicht schwierig, nahm jedoch einige
Zeit in Anspruch.
Offenbar hatte es
bereits einen gescheiterten Versuch gegeben, Dio zu vergiften. Er
hat bei seinem Besuch selbst davon gesprochen. Anscheinend wurden
einige Sklaven seines vorherigen Gastgebers Lucius Lucceius
angestiftet (zweifellos von König Ptolemaios’ Agenten),
Dios Essen zu vergiften, wobei sie jedoch nur Dios einzigen
verbliebenen Sklaven töteten, der den Part des Vorkosters
übernommen hatte. Dio floh aus Lucceius’ in
Coponius’ Haus.
Von dort kam er zu
mir, um mich um Hilfe zu bitten. Wenn ich ihm nur angeboten
hätte, die Nacht in meinem Haus zu verbringen! Doch dann
hätten seine Mörder ihr blutiges Handwerk vielleicht hier
unter meinem Dach verrichtet. Ich denke an Bethesda und vor allem
an Diana, und mir schaudert bei der
Vorstellung…
Gift hatte nicht
zum gewünschten Ziel geführt, also griffen Dios Feinde
auf weniger subtile Methoden zurück. Nachdem er mein Haus
verlassen hatte, kehrte Dio so schnell wie möglich zu
Coponius’ zurück - die Dunkelheit war hereingebrochen,
und Dio hatte selbst in seiner Verkleidung und trotz der
schützenden Begleitung Belbos Angst auf der Straße. Laut
Belbos Angaben begleitete Trygonion die beiden bis zu
Coponius’ Tür und ging dann seiner eigenen Wege,
vielleicht zurück zum Haus der Galloi hier auf dem Palatin
unweit des Tempels der Kybele. Niemand scheint viel über
diesen Galloi zu wissen, und niemand kann seine Verbindung zu Dio
erklären.
Das weitere sind
Informationen aus zweiter oder sogar aus dritter Hand, also
wahrscheinlich Klatsch, auch wenn ich ihn diesmal für
verläßlich halte.
Nach seiner Ankunft
in Coponius’ Haus schloß sich Dio allein in seinem
Zimmer ein und weigerte sich, ein Abendessen zu sich zu nehmen. (Er
hatte schon in meinem Haus gegessen und überdies große
Angst, vor einem erneuten Giftanschlag.) Im Haus des Coponius
begibt man sich früh zu Bett, und kurz nach Einbruch der
Dunkelheit waren mit Ausnahme des Sklaven, der an der
Eingangstür Wache hielt, alle schlafen gegangen. Irgendwann im
Laufe der Nacht (laut Angaben des Wächters noch vor
Mitternacht) hörte man ein Geräusch aus dem hinteren Teil
des Hauses, wo Dio untergebracht war.
Der Wächter
ging nachsehen. Dios Tür war verschlossen. Der Sklave rief
seinen Namen und klopfte an die Tür. Schließlich pochte
er so laut, daß der im Nebenzimmer schlafende Coponius
aufwachte und auf den Flur kam, um zu fragen, was los sei.
Schließlich gelang es ihnen, Dios Tür aufzubrechen, und
der Philosoph wurde auf seinem Schlafsofa gefunden, mit offenem
Mund und weit aufgerissenen Augen auf dem Rücken liegend,
seine Brust von klaffenden Stichwunden übersät. Er war
auf seinem Nachtlager erstochen worden.
Ein Fenster des
Zimmers führte auf einen schmalen Hof. Die Fensterläden
standen offen, und der Riegel war von außen aufgebrochen
worden. Der oder die Mörder sind offenbar über eine hohe
Mauer geklettert, haben sich über die Terrasse geschlichen,
sind durch das Fenster in Dios Zimmer eingedrungen, haben ihn
ermordet und konnten ungesehen entkommen.
Was für ein
erbärmliches Ende für einen so herausragenden Mann!
Daß Dio sein Ende voraussah und seine letzten Tage fern der
Heimat und in Furcht vor jedem Schatten zugebracht hat, macht sein
Schicksal noch grausamer. Daß er am Tag seiner Ermordung zu
mir gekommen ist und mich um Hilfe gebeten hat, läßt
mich keine Ruhe finden. Hätte ich die
Tat verhindern können? Höchstwahrscheinlich nicht, sage
ich mir, denn die Männer, die Dio aus dem Weg räumen
wollten, verfügen über Mittel, die weit über das
hinausgehen, was mir zur Verfügung steht. Trotzdem erscheint
es mir wie ein grausamer Scherz der Götter, daß er nach
so vielen Jahren wieder in mein Leben geführt und mir dann
sofort erneut brutal entrissen wurde. Ich habe in meinem Leben viel
Leid und Blutvergießen gesehen, doch es ist für mich
kein bißchen leichter geworden, es zu ertragen. Es wird nur
immer unfaßbarer.
Damit ist auch das
letzte Mitglied der Delegation aus Alexandria, die vorigen Herbst
hier eingetroffen ist, ermordet worden, zurück nach
Ägypten geflohen oder sonstwie von der
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