Römischer Lorbeer
Ankläger?«
»Beides
natürlich. Und warum auch nicht?« fügte sie zu ihrer
Verteidigung hinzu. »Nachdem ich schon so lange mit dir
zusammenlebe, weiß ich eine Menge über
Prozesse.«
»Ja, und Marcus
Caelius sieht ganz besonders gut aus, wenn er sich zu einer
mitreißenden Rede herabläßt - blitzende Augen,
hervortretende Adern an Stirn und Hals…«
Bethesda wollte
offenbar etwas erwidern, besann sich dann jedoch eines Besseren und
sah mich ernst an.
»Eine
Anklage«, sagte ich schließlich. »Gegen
wen?«
»Einen Mann
namens Bestia.«
»Lucius
Calpurnius Bestia?«
Sie nickte.
»Du mußt
dich irren«, sagte ich, den Mund voller Hirse.
»Das glaube ich
nicht«, erwiderte sie gelassen.
»Aber Caelius hat
den alten Bestia im letzten Herbst noch bei seiner Kandidatur
für das Amt des Praetors unterstützt. Sie sind politische
Verbündete.«
»Jetzt nicht
mehr.«
Das war bei
Caelius’ notorischem Wankelmut - sowohl in der Liebe als auch
in der Politik - durchaus vorstellbar. Und selbst wenn er sich
öffentlich mit einem Kandidaten und dessen Anliegen einig
erklärte, konnte man sich seiner wahren Absichten nie sicher
sein. »Welchen Vergehens wurde Bestia
beschuldigt?«
»Wählerbestechung.«
»Ha! Im Herbst
macht er für Bestia Wahlkampf, und im Frühjahr klagt er
den Mann wegen illegaler Wahlkampfpraktiken an.
Wahlkampfpolitik!« Ich schüttelte den Kopf. »Wer hat
ihn verteidigt?«
»Dein alter
Freund Cicero.«
»Ach
wirklich?«
Dieser Aspekt an der
Sache war interessant. Marcus Caelius hatte im öffentlichen
Leben als Schüler und Günstling Ciceros debütiert.
In der chaotischen Zeit von Catilinas Revolte hatte er sich mit
seinem Mentor überworfen - oder vielleicht auch nur so getan,
um als Ciceros Spion zu fungieren. Für die gesamte Dauer jener
tumultartigen Zeit war es zumindest mir ein Rätsel geblieben,
wem Caelius’ wahre Loyalität gehörte.
Anschließend hatte Caelius Rom für ein Jahr verlassen, um
im Staatsdienst nach Afrika zu gehen. Nach seiner Rückkehr
schien er dem Lager seines alten Mentors endgültig den
Rücken gekehrt zu haben, er forderte Cicero vor Gericht offen
heraus und übertrumpfte den Meisterredner manchmal sogar. Als
der Senat Cicero später ins Exil zwang und Ciceros Feinde Amok
liefen und sein prachtvolles Haus auf dem Palatin verwüsteten,
war es mein Nachbar Marcus Caelius, der mit der Neuigkeit an meine
Tür klopfte - und der Klage, daß man von den Fenstern
seiner Wohnung keine gute Aussicht auf das Geschehen habe, weswegen
er darum bat, von unserem Balkon aus Zusehen zu dürfen! Als
der grelle Widerschein der Flammen über sein Gesicht tanzte,
hätte ich unmöglich sagen können, ob Caelius
entsetzt oder belustigt oder vielleicht beides zugleich
war.
Nach langen
Auseinandersetzungen hatte der Senat Cicero aus dem Exil
zurückgerufen; er war jetzt wieder in Rom, und sein Haus auf
dem Palatin wurde wiederaufgebaut. Und nun hatte er vor Gericht
offenbar erneut rhetorisch die Klingen mit seinem ehemaligen
Schüler Marcus Caelius gekreuzt.
»Nun spann mich
nicht auf die Folter«, sagte ich. »Wie ist es
ausgegangen?«
»Cicero hat
gewonnen«, sagte Bethesda. » Bestia wurde freigesprochen.
Aber Caelius hat behauptet, die Geschworenen wären bestochen
worden, und angekündigt, Bestia erneut
anzuklagen.«
Ich lachte. »Ein
hartnäckiger Bursche, was? Nachdem er Cicero vor Gericht
einmal besiegt hat, kann er es vermutlich nicht ertragen, diesmal
von seinem alten Lehrer in die Schranken gewiesen worden zu sein.
Oder hat eine einzelne Rede nicht ausgereicht, Bestia angemessen zu
verleumden?«
»Oh, was das
angeht, war seine Rede sehr erfolgreich.«
»Voller
Bösartigkeit, vermute ich.«
»Das kann man
sagen! In seinem Plädoyer hat Caelius auch den Tod von Bestias
Frau im vergangenen Jahr zur Sprache gebracht und außerdem
noch den Tod seiner ersten Ehefrau. Er hat Bestia praktisch
beschuldigt, sie vergiftet zu haben.«
»Die Ermordung
von Ehefrauen kann doch wohl kaum etwas mit Wählerbestechung
zu tun haben.«
»Vielleicht
nicht, aber so wie Caelius es ausgeführt hat, wirkte es
vollkommen angemessen.«
»Rufmord«,
sagte ich, »ist das Fundament römischer Rechtsprechung.
Der Ankläger benutzt jedes nur erdenkliche Mittel, um den Ruf
des Angeklagten zu zerstören, damit es plausibler erscheint,
daß er auch das Verbrechen begangen hat, dessen er gerade
angeklagt ist. Das ist ungleich leichter, als echte Beweise zu
präsentieren. Dann tut der Verteidiger
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