Römischer Lorbeer
zunehmend
ungeduldiger.
»Komm und sieh
selbst. Sie möchte dich unbedingt kennenlernen.« Er
schielte lüstern wie ein Zuhälter, der eine Hure
anpreist.
»Sag mir ihren
Namen«, erwiderte ich langsam und um Fassung
bemüht.
Trygonion seufzte und
verdrehte die Augen. »Also gut. Ihr Name ist Clodia.«
Er sah den Ausdruck auf meinem Gesicht und lachte. »Ah, wie
ich sehe, hast du schon von ihr gehört!«
9
Als wir gerade das
Haus verlassen wollten, trafen wir Bethesda und Diana.
»Wo gehst du
hin?« Bethesda warf Trygonion einen kühlen Blick des
Wiedererkennens zu, verschränkte die Arme und sah mich an wie
Medusa persönlich. Wie hatte diese Frau je irgendjemandes
Sklavin sein können, noch dazu meine? Diana stand seitlich
hinter ihrer Mutter. Auch sie zog die Schultern zurück,
verschränkte die Arme und imitierte den gebieterischen Blick
ihrer Mutter.
»Keine
Fragen«, sagte ich. Bethesda hielt die Arme verschränkt;
die Antwort reichte ihr nicht. »Vielleicht hat der Galloi
Arbeit für mich«, fügte ich hinzu.
Sie musterte den
kleinen Priester so eindringlich, daß es mich nicht gewundert
hätte, wenn er zu Stein erstarrt wäre. Statt dessen
lächelte er sie an. Die beiden schienen gegeneinander
unempfindlich. Trygonion wirkte kein bißchen
eingeschüchtert, Bethesda von seinem Charme kein bißchen
eingenommen. »Du solltest Belbo mitnehmen«, war alles,
was sie zu sagen hatte, bevor sie ihre Arme löste und den Flur
hinunterging. Diana folgte ihr, wobei sie die Bewegungen ihrer
Mutter mit geradezu unheimlicher Präzision nachahmte - bis ich
herumfuhr und sie unter den Achseln kitzelte. Sie stieß ein
kreischendes Lachen aus und rannte los, wobei sie Bethesda
anrempelte. Beide drehten sich zu mir um, Diana lachend, Bethesda
mit dem zarten Hauch eines Lächelns auf den Lippen.
»Nimm Belbo
mit!« wiederholte sie, bevor sie sich umdrehte und
weiterging. Jetzt begriff ich: Sie erinnerte sich an Trygonion von
Dios Besuch, wußte von dessen Ermordung und sorgte sich nun
um mich, da ich mit Trygonion das Haus verließ. Wie
rührend!
Zu dritt - der Galloi,
Belbo und ich - traten wir in das helle Licht der Nachmittagssonne.
In meinem Arbeitszimmer hatte sich die Wärme mild und
die Luft süßlich wie zu Frühlingsbeginn
angefühlt; doch auf den Straßen hatte die Sonne die
Pflastersteine bereits erhitzt, und die Luft war heiß.
Trygonion zog aus den Falten seines Gewandes einen winzigen gelben
Sonnenschirm hervor, öffnete ihn und hielt ihn
hoch.
»Vielleicht
hätte ich meinen breitkrempigen Hut aufsetzen sollen«,
sagte ich und blinzelte in den wolkenlosen Himmel.
»Es ist nur ein
kurzer Fußweg«, sagte der Galloi. »Zwei Blocks
geradeaus und dann rechts.«
Wir gingen die
Straße hinunter und kamen an dem Wohnhaus vorbei, in dem
Marcus Caelius lebte. Die Fensterläden im oberen Stockwerk
waren trotz der Hitze geschlossen. Konnte es sein, daß er um
diese Tageszeit noch schlief? Was für ein Leben!
Das Haus gehörte
dem Unruhestifter Publius Clodius; ich war unterwegs zu seiner
Schwester. Was für ein Dorf Rom doch war, dachte ich, und es
wurde mit jedem Jahr kleiner. Ich hatte bisher keinen der
berüchtigten Clodii kennengelernt; sie waren entfernt mit
meinem alten Wohltäter Lucius Claudius verwandt, doch unsere
Wege hatten sich nie gekreuzt. Das war mir nur recht. In den
letzten Jahren bin ich bei der Auswahl sowohl der Menschen, denen
ich helfe, als auch derjenigen, die ich beleidige, immer
anspruchsvoller geworden. Und nach allem, was man hörte, waren
Clodia und Clodius die Art Zeitgenossen, die man tunlichst meiden
sollte.
Ein unbekannter
Bürger, der den Diebstahl des Familiensilbers beklagte; ein
alter Bekannter, der in anonymen Briefen bedroht wurde; eine junge
Ehefrau, die von ihrer rechthaberischen Schwiegermutter
fälschlicherweise des Ehebruchs bezichtigt wurde - das waren
die Menschen, denen ich in meinem Vorruhestand meine hilfreichen
Dienste gewähren sollte. Männer hingegen, die wirkliche
Macht in Händen halten, ein weitgespanntes Netz von geheimen
Agenten kontrollieren, Totschläger schicken, um ihre Gegner zu
zerschmettern - die Pompeii und Ptolemaier dieser Welt schienen mir
von der Art, die man unter keinen Umständen beleidigen sollte,
selbst wenn das bedeutete, daß ich einem alten Freund nicht
helfen konnte und also Dio von Alexandria abweisen
mußte.
Jetzt befand ich mich
auf dem Weg zu Clodias Haus, vorgeblich, um eine Angelegenheit im
Zusammenhang mit Dios
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