Römischer Lorbeer
im Schatten des Portikus oder von
Zimmer zu Zimmer gehend abschreiten konnte.
Ich wußte
sofort, daß das Haus leer war. Man konnte förmlich
fühlen, daß es den ganzen Winter über unbewohnt
gewesen und noch immer nicht zu neuem Leben erweckt worden war. Die
Luft war still und kühl, die Wände und wenigen
Möbelstücke rochen leicht muffig, und auf der
Oberfläche hatte sich eine dünne Staubschicht
abgelagert.
Wir folgten Trygonion,
der immer wieder Clodias Namen rief, langsam von Zimmer zu
Zimmer. In einigen Räumen waren alle Gegenstände
verhüllt, in anderen hatte man die Laken schon weggezogen und
achtlos auf dem Boden liegen lassen. Als Besitzer eines
möblierten Hauses auf dem Palatin weiß ich wenig
über Möbel. Die Stücke, die ich in Clodias Haus am
Tiber sah, hätten bei jeder Auktion erstaunliche Preise
erzielt, vor allem bei der prosperierenden Schicht der Neureichen,
in deren obskuren Familien es keine wertvollen Erbstücke gab -
Schlafsofas, die aus dem brennenden Karthago gerettet worden waren,
die Polster so verblichen, daß man die exotischen Muster kaum
noch erkennen konnte; vergoldete Schränke und Truhen mit
massiven Eisenbeschlägen, wie sie heute gar nicht mehr
hergestellt werden; uralte Klappstühle, auf denen vielleicht
schon Scipio oder die Gebrüder Gracchus gesessen
hatten.
Außerdem gab es
Gemälde in jedem Raum, und zwar nicht die Art theatralischer
Wandgemälde, wie sie heute unter den Reichen Mode sind,
sondern Porträts und historische Szenen auf Holz enkaustiert
und kunstvoll gerahmt. Sie waren mit den Jahren dunkler geworden,
und ihre glatten Oberflächen waren mit feinem Geäst aus
winzigen Rissen überzogen. Sammler lieben solche
Eigenschaften, die nicht von Menschenhand imitiert werden, sondern
nur durch die Zeit selbst geschaffen werden konnten. Hier und dort
standen kleine Statuen auf Sockeln, keine größer als der
Unterarm eines Mannes, in perfekter Proportion zu den kleinen
Räumen, und alle mit ländlichen Motiven, die der
Atmosphäre des Hauses entsprachen - Pan und Silenos, ein
Sklavenjunge, der sich einen Dorn aus dem Zeh zog, eine Waldnymphe,
die auf einem Fels kniete.
Als wir das Ende des
Hauses erreicht hatten, traten wir wieder in den Säulengang.
Trygonion spähte in Richtung des Waldes auf der anderen Seite
des Hauses, aber ich konnte dort nichts erkennen. »Nein, in
den Küchen, Sklavenquartieren oder Ställen wird sie nicht
sein«, meinte er. »Sie ist natürlich unten am
Wasser.« Wir stapften erneut über die Wiese auf einen Hain
am Fluß zu. Im Schatten der Bäume stießen wir auf
eine Venus-Statue - kein kleiner Zierrat wie die Skulpturen im
Haus, sondern eine prachtvolle, hochragende Bronzeplastik auf einem
Marmorsockel. Die Göttin blickte mit einem fast
selbstgefälligen zufriedenen Blick auf das Wasser, als
würde der Fluß nur fließen, um als Musik in ihren
Ohren zu plätschern und sie zu erfreuen.
»Außergewöhnlich«,
flüsterte ich. Belbo stierte benommen und mit einem Ausdruck
religiöser Ehrfurcht auf die Statue.
»Findest
du?« fragte Trygonion. »Du solltest die Venus in ihrem
Stadthaus sehen.« Er drehte sich um und ging, eine Hymne
für Kybele summend, weiter. Seine Stimmung schien sich mit
jedem Schritt, der ihn näher ans Wasser und zu dem
rotweiß gestreiften Zelt am Ufer brachte, zu
bessern.
Wir traten aus dem
Schatten der Bäume in die Sonne. Die satten Gräser
wiegten sich in einer milden Brise. Das Zelt stach markant von der
hellgrünen Wiese, dem dunkelgrünen Wasser des Flusses und
dem azurblauen Himmel ab. Die dünnen seidenen Planen zitterten
im Lufthauch. Rote Streifen wanden sich wie dahingleitende
Schlangen auf einem weißen Pferd, bevor sich die Illusion
durch eine optische Täuschung umkehrte und man weiße
Schlangen auf einem roten Feld sah.
Von irgendwoher
hörte man ein Platschen, doch das Zelt und die hohen
Bäume zu beiden Seiten versperrten die Sicht auf den
Fluß.
»Warte
hier«, sagte Trygonion und betrat das Zelt. Kurz darauf
steckte er den Kopf wieder heraus. »Tritt ein, Gordianus.
Aber laß deinen Leibwächter
draußen.«
Als ich auf den
Eingang zuging, wurde die Plane von einem bis dahin unsichtbaren
Sklaven hochgeschlagen, und ich trat ein.
Das erste, was ich
bemerkte, war der Duft, ein Parfüm, das ich nie zuvor gerochen
hatte - schwer faßbar, subtil und faszinierend. In dem
Moment, als ich es zum erstem Mal roch, wußte ich, daß
ich es nie wieder vergessen würde.
Die rotweiße
Seide filterte
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