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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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und daß der Skandal die Bestrafung irgendeines
Täters nach sich ziehen würde, doch offenbar habe ich
mich geirrt, und sie hatten recht, bis zu einem gewissen Punkt
jedenfalls.
    Der Skandal hat
enorme Wellen geschlagen. Dio war sogar noch bekannter und
angesehener, als ich gedacht hatte - oder hat ihn sein Tod zu einem
Märtyrer gemacht, der in seinem Sterben größer und
beliebter ist, als er es zu Lebzeiten je war? Für einen Mann,
von dem man jetzt mit solcher Ehrfurcht spricht, ist er in den
letzten Tagen seines Lebens jedenfalls ziemlich schäbig
behandelt worden, von einem sich sträubenden (und
möglicherweise verräterischen) Gastgeber zum
nächsten abgeschoben, seine letzten Reserven verbrauchend, bis
er keinerlei Mittel mehr besaß. Dieselben Senatoren, die Dio
jetzt einen zweiten Aristoteles nennen, haben sich vor gar nicht
langer Zeit geweigert, Dio vor ihrer Kammer sprechen zu
lassen.   
    (Da fällt mir
das alte Rätsel ein, das Dio mir gestellt hat, als ich ein
junger Mann in Alexandria war: Ist es besser, im Leben geliebt und
nach seinem Tod verachtet oder im Leben verachtet und nach seinem
Tod geliebt zu werden?)
    Die Debatte des
Senats über die ägyptische Situation dauert an, neu
angefacht durch dieses beschämende Ereignis. Derweil ist vor
kurzem ein gewisser Publius Asicius des Mordes angeklagt
worden.
    Ich muß
gestehen, daß es mich nicht überrascht hat,
daß man Asicius der Ermordung Dios
beschuldigte. Dio selbst hatte den jungen Mann in Verdacht, an dem
vereitelten Giftanschlag im Haus von Lucius Lucceius beteiligt
gewesen zu sein, wie er mir bei seinem Besuch berichtet hat. Am
selben Tag, an dem Dios Vorkoster an einer Vergiftung starb, hatte
Asicius Lucceius einen Besuch abgestattet. Das ist, für sich
genommen, lediglich ein Indiz. Doch nachdem Dio mein Haus verlassen
hatte und kurz danach in seinem Bett erstochen wurde, traf ich
Asicius und unseren Nachbarn M. C. zufällig auf der
Straße, und auch wenn ich sie nichts direkt Belastendes habe
sagen hören, so kommen mir die Umstände, zumindest
rückblickend, doch äußerst verdächtig
vor.
    Als ich nun also
hörte, daß man Asicius angeklagt hatte, war ich sehr
erleichtert, weil ich dachte: wenn er schuldig ist, bestünde
vielleicht die Möglichkeit, die ganze häßliche
Wahrheit ans Licht zu bringen - ohne daß ich in die Sache
verwickelt würde. (Vermutlich empfindest du bei deiner Arbeit
für Caesar manchmal eine ähnliche Erleichterung, wenn
eine lästige Pflicht unerwartet und ohne dein Zutun erledigt
wird, als ob ein wohlgesonnener Gott beschlossen hatte, dir einen
Gefallen zu tun.)
    Doch mit der Gunst
der Götter hat es ja so eine eigene Bewandtnis.
    Wer, glaubst du,
trat an, um Asicius zu verteidigen? Jawohl, der beste
Strafverteidiger Roms, unser alter Freund Cicero.
    Als ich davon
erfuhr, sanken meinen Hoffnungen sofort wieder. In einem
Prozeß, an dem Cicero als Anwalt teilnimmt, kann vieles
passieren, doch die Wahrheit kommt dabei nur in den seltensten
Fällen ans Licht. Wenn die Gerechtigkeit triumphiert,
geschieht das trotz Ciceros Täuschungsmanövern und
unabhängig davon, ob die Wahrheit gesagt wurde oder
nicht.     
    Man sagt, Cicero
und Asicius hätten sich beide weit weg von Rom im Süden
an der Küste aufgehalten, als Asicius angeklagt wurde - Cicero in
Neapolis, Asicius auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht
in der Villa seiner Familie in Baiae. Um den Zufall zu
erörtern, hat Asicius Cicero in seiner prachtvollen
Sänfte abgeholt und mit nach Baiae genommen. Nun, es war nicht
direkt seine Sänfte, sondern eine Leihgabe von - ist es zu
fassen? - König Ptolemaios.
    (Die
Komplizenschaft ist absolut offensichtlich! Man sollte meinen,
daß ein Mann, der angeklagt ist, einen Feind von König
Ptolemaios ermordet zu haben, seine Verbindung zum König eher
verbergen würde, als sich damit zu brüsten, aber wie die
meisten Männer seiner Generation kann Asicius offensichtlich
sogar in einer solchen Situadon der Prahlerei nicht
entsagen.)
    Die Sänfte war
ein riesiger Achtsitzer, kunstvoll verziert (ägyptische
Sänften lassen auch die elegantesten römischen
Transportmittel vergleichsweise schlicht erscheinen) und bewacht
von nicht weniger als einhundert bewaffneten Leibwächtern, die
Asicius sich ebenfalls von König Ptolemaios ausgeliehen hatte.
(Wenn der König schon die Leibwächter zu Asicius’
persönlicher Verteidigung gestellt hat, liegt der Schluß
nahe, daß es auch der König war, der Cicero zu

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