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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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gesehen
hatte, trug er eine Toga und nicht das Gewand eines Priesters der
Kybele.
    »Trygonion«, sagte
ich.
    Er lächelte.
»Dann erinnerst du dich an mich?«
    »Aber ja. Es ist
in Ordnung«, sagte ich zu Belbo, der noch immer unsicher
dastand, jederzeit bereit, sich zwischen mich und den kleinen
Galloi zu werfen. Er hätte den kleinen Priester problemlos in
die Luft heben und in zwei Teile zerreißen können, doch
er hielt Abstand, zu ängstlich, den heiligen Eunuchen auch nur
zu berühren. Trygonion war in mein Arbeitszimmer marschiert,
ohne seine Schritte zu verlangsamen, ungerührt von dem dreimal
so großen Mann, der ihn lautstark aufgefordert hatte
stehenzubleiben.
    Belbo warf dem Galloi
einen wütenden Blick zu und zog sich zurück. Hinter mir
vernahm ich ein Räuspern; als ich mich umdrehte, sah ich den
Soldaten, der meinen Brief in einen ledernen Beutel steckte.
»Ich breche jetzt auf«, sagte er und nickte mir zu,
während er den Eunuchen mit einer Mischung aus Neugier und
Abscheu musterte.
    »Möge
Merkur dich beschützen«, sagte ich.
    »Und möge
das Blut der Großen Göttin zwischen ihren Schenkeln
wallen und dich reinwaschen!« fügte Trygonion hinzu. Er
drückte seine Handflächen zusammen, daß seine
Armbänder klimperten, und verneigte sich. Der Soldat runzelte
die Stirn und verließ uns hastig, unsicher, ob er gerade
gesegnet oder verflucht worden war. Er wollte sich seitlich durch
die enge Tür drücken, um den Eunuchen nicht zu
berühren, doch Trygonion verlagerte absichtlich sein Gewicht,
so daß sich ihre Schultern streiften, und ich sah, wie der
Soldat erschauerte. Der Gegensatz war auffällig: hier der
strenge, virile junge Römer in Soldatenkluft, dort der kleine,
grinsende Galloi von fremder Herkunft in seinem priesterlichen
Gewand. Seltsam, dachte ich, daß es der zum Töten
ausgebildete Größere und Kräftigere war, der vor
Angst zitterte.
    Trygonion schien
dasselbe zu denken, denn als der Soldat den Flur
hinunterstürmte, sah der Eunuch ihm nach und lachte
trällernd. Doch als er sich mir wieder zuwandte, erstarb sein
Lächeln.
    »Gordianus«, sagte er
leise und neigte den Kopf zum Gruße. »Ich fühle
mich erneut geehrt, Einlaß in deinem Haus zu
finden.«   
    »Es hat ganz den
Eindruck, als hätte ich kaum eine Wahl gehabt, wenn man sieht,
wie Riesen vor dir weichen und Soldaten in Panik
fliehen.«
    Er lachte, aber nicht
trällernd wie zuvor, als er den Soldaten verspottet hatte. Es
war vielmehr ein kehliges Glucksen, wie Männer es wegen einer
witzigen Anspielung auf dem Forum austauschen. Der Galloi schien in
der Lage, seine Persönlichkeit nach Belieben zu wechseln, von
feminin zu maskulin, ohne je ganz das eine oder das andere zu
werden, sondern in einem Zustand verharrend, der nichts von beiden
war.
    »Man hat mich
geschickt, dich zu holen.«
    »Ach?«
    »Ja, man stelle
sich vor - ein Priester der Kybele wird wie ein Botenjunge
losgeschickt.« Er zog mißbilligend eine Braue hoch, als
wäre er von diesem Umstand ziemlich
überrascht.
    »Von wem
losgeschickt?«
    »Von einer
gewissen Dame.«
    »Hat sie auch
einen Namen?«
    »Aber
natürlich - viele Namen, obwohl ich dir raten würde, die
skandalöseren zu meiden und sie bei denen zu nennen, die ihr
Vater ihr gegeben hat, wenn du dir keine Ohrfeige einhandeln
willst. Zumindest bis du sie besser kennengelernt
hast.«
    »Und welcher
Name ist das?«
    »Sie wohnt hier
auf dem Palatin, nur ein paar Schritte entfernt.« Er wies mit
einem gewinnenden Lächeln zu Tür.
    »Trotzdem
würde ich, bevor wir losgehen, um sie zu besuchen, gern ihren
Namen erfahren und was sie von mir will.«
    »Es geht um
einen gemeinsamen Bekannten. Um zwei gemeinsame Bekannte, um genau
zu sein: der eine lebt noch, der andere… ist tot.« Er
sah mich ernst an. »Zwei gemeinsame Bekannte«,
wiederholte er. »Einer ein Mörder - der andere sein
Opfer. Der eine schlendert in diesem Moment mit seinen Freunden
scherzend und seine Gegner beleidigend über das Forum,
während der andere den Hades durchmißt, ein Schatten
unter Schatten. Vielleicht trifft er dort Aristoteles und kann von
Angesicht zu Angesicht mit ihm diskutieren, und die Toten
können entscheiden, wer von ihnen mehr über das Leben
wußte.«
    »Dio«,
flüsterte ich.
    »Ja, ich spreche
von Dio - und seinem Mörder. In dieser Angelegenheit bin ich
gekommen.«
    »Wessen
Angelegenheit?«
    »Die
Angelegenheit meiner Herrin. Sie hat sie zu der ihren
gemacht.«
    »Wer ist
sie?« fragte ich

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