Römischer Lorbeer
die hellen Sonnenstrahlen und tauchte das Zelt in
ein warmes Licht. Die Planen waren zum Fluß hin hochgerollt
und rahmten das sich darbietende Bild. Sonnenlicht tanzte auf den
grünen Wellen und warf seinen glitzernden Widerschein in das
Zelt, wo er über meine Hände und mein Gesicht huschte.
Wieder hörte ich ein Platschen, und jetzt sah ich eine Gruppe
von etwa fünfzehn jungen Männern und Knaben, die in den
Fluten direkt vor dem Zelt herumtollten. Einige trugen bunte
Lendenschurze, doch die meisten waren nackt. Wassertropfen klebten
an ihren geschmeidigen Körpern, die im Sonnenlicht glitzerten,
als wären sie mit Juwelen besetzt. Und wenn die Schwimmer in
den Schatten der Bäume tauchten, ließ das Spiel von
Licht und Schatten auf ihrer Haut sie aussehen wie gefleckte
Faune.
Ich ging in die Mitte
des Zeltes, wo Trygonion mich mit einem strahlenden Lächeln
erwartete. Er stand neben einem hohen, mit rotweiß
gestreiften Kissen gepolsterten Sofa und hielt die Hand der darauf
liegenden Frau. Sie hatte den Kopf abgewandt, so daß ich ihr
Gesicht nicht sehen konnte.
Bevor ich das Sofa
erreichte, stellte sich mir plötzlich eine Gestalt in den Weg.
Sie sah kaum älter aus als ein Kind, trug jedoch ein langes
grünes Kleid und hatte ihr rotbraunes Haar hochgesteckt.
»Herrin!« rief sie, ohne den Blick von mir zu wenden.
»Herrin, dein Gast ist jetzt hier.«
»Zeig ihn mir,
Chrysis.« Die Stimme klang schwül und träge, tiefer
als Trygonions, aber unverkennbar weiblich.
»Ja,
Herrin.« Das Sklavenmädchen nahm meine Hand und
führte mich vor das Sofa. Der Duft des markanten Parfüms
wurde intensiver.
»Nein, nein,
Chrysis«, sagte ihre Herrin und lachte sanft. »Stell
ihn nicht direkt vor mich. Sonst versperrt er mir ja die
Aussicht.«
Chrysis zupfte
verspielt an meiner Hand und zog mich zur Seite.
»So ist es
besser, Chrysis. Und jetzt geh. Und du auch, Trygonion - laß meine Hand
los, kleiner Galloi. Lauf zum Haus und sieh zu, daß du
Chrysis mit irgendwas beschäftigst. Oder sucht am
Flußufer nach hübschen Kieseln. Aber paßt auf,
daß keiner dieser Flußsatyrn euch erwischt, wer
weiß, was sonst passiert!«
Chrysis und Trygonion
taten, was ihnen geheißen, und ließen mich mit der Frau
auf dem Sofa allein.
10
»Die jungen
Männer, die du mit den Lendenschurzen bekleidet im Fluß
baden siehst, gehören mir. Das heißt, es sind meine
Sklaven - Sänftenträger und Leibwächter. Hier in den
horti lasse ich sie Lendenschurze tragen. Schließlich kann
ich sie jederzeit nackt sehen, wenn ich will. Außerdem
fällt es mir so leichter, die anderen zu erkennen. Jeder junge
Römer, dessen nackter Anblick sich lohnt, weiß,
daß er jederzeit nach Belieben an meinem Stück Tiberufer
schwimmen darf - solange er es nur unbekleidet tut. Sie kommen
über einen kleinen Pfad, der, unter Bäumen versteckt, von
der Straße abgeht, und lassen ihre Tuniken an den Zweigen
hängen. An heißen Nachmittagen im Hochsommer sind es
manchmal mehr als einhundert, die in den Fluten tollen, sich
gegenseitig naß spritzen oder sich auf den Felsen sonnen -
nackt, wie ich es befohlen habe. Sieh dir die Schultern vom dem da
an…«
Ich ertappte mich
dabei, wie ich die nicht mehr junge Frau anstarrte - ich
wußte, daß sie etwa fünf Jahre älter war als
ihr Bruder Clodius und schätzte sie auf ungefähr vierzig.
Es war schwer zu sagen, ob ihr Aussehen ihrem Alter entsprach. Doch
wie alt sie auch immer aussehen mochte, es stand ihr. Clodias Haut
war jedenfalls zarter als die der meisten Vierzigjährigen, von
der Farbe weißer Rosen, weich und glatt; vielleicht
schmeichelte ihr auch das durch die Zeltplanen gefilterte Licht.
Ihr Haar war voll und schwarz und durch die Magie verborgener Nadeln und
Kämme zu einem kunstvollen Gewirr von Locken auf ihrem Kopf
hochgesteckt. Die Tatsache, daß sie es streng aus ihrem
Gesicht gekämmt hatte, unterstrich ihre hohen Wangenknochen
und die stolze Linie ihrer Nase, die beinahe, aber eben nur beinahe
zu groß war. Ihre Lippen waren von einem so satten Rot,
daß es unmöglich natürlich sein konnte. Ihre Augen
schienen bald blau, bald gelb, vor allem jedoch grün
aufzublitzen wie funkelnde Smaragde oder das Glitzern des
Sonnenlichts auf dem Tiber. Von diesen Augen hatte ich schon
gehört; Clodias Augen waren berühmt.
»Sieh dir ihre
Gänsehaut an!« Sie lachte. »Es wundert mich,
daß sie es überhaupt im Wasser aushalten. Um diese
Jahreszeit muß der Fluß noch eisig sein, egal,
Weitere Kostenlose Bücher