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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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irgendwelche Beweise gegeben
hätte. Jedesmal, wenn ein halbwegs bekannter Römer an
etwas anderem als einem Unfall stirbt, wird sich jemand finden, der
behauptet, es wäre Gift gewesen, genauso wie es immer jemanden
gibt, der flüstert, daß jede außergewöhnlich
schöne Frau - oder auch Mann - eine Hure ist. Und obwohl wir
beide jede Menge Gerüchte gehört haben, wissen wir
eigentlich recht wenig über Clodia, oder
nicht?« 
    Eco lehnte sich
zurück und legte die Stirn in Falten. »Ich glaube,
dieses gelbe durchsichtige Kleid hat dein Urteilsvermögen
getrübt, Papa.«
    »Unsinn!«
    »Es bedeckt
deine Augen wie ein Schleier.«
    »Eco!«
    »Das ist mein
Ernst, Papa. Du hast mich gebeten, ehrlich zu sein, also bin ich
es. Ich glaube, daß Clodia ziemlich sicher eine sehr
gefährliche Frau ist, und es gefällt mir nicht, daß
du für sie arbeitest. Wenn es um Dios willen denn sein
muß, dann hoffe ich, daß du sie wenigstens
möglichst selten siehst.«
    »Ich habe
bereits eine ganze Menge von ihr gesehen.«
    »Das meine ich
so, wie ich es sage, Papa.« Jede Leichtigkeit war aus seiner
Stimme gewichen. »Es gefällt mir
nicht.«
    »Mir auch nicht.
Aber manchmal muß ein Mann den Wegen folgen, die ihm die
Götter bereiten.«
    »Naja«,
meinte Eco mit einem scharfen Unterton, »mit einem
religiösen Argument kann man vermutlich jede Diskussion
beenden.«
    Und wenn nicht damit,
dann bestimmt mit dem, was als nächstes geschah, denn im
selben Augenblick sausten zwei kleine menschliche Geschosse, wie
von einem Katapult abgefeuert, durch den Raum. Eines folgte dem
anderen mit solcher Geschwindigkeit, daß ich nicht ausmachen
konnte, wer Verfolger und wer Verfolgter war; ich finde es oft
schon schwierig genug, die Zwillinge auseinanderzuhalten, wenn sie
still stehen. Im Alter von vier gab es nicht viel, wodurch man sie
unterscheiden konnte. Gordiana (die Eco seit ihrer Geburt Titania
nennt, weil sie so groß war) war vielleicht ein Stück
größer als ihr Bruder Titus, doch zum Schlafengehen
trugen beide die gleiche langärmelige und knöchellange
Tunika, und beide hatten lange goldene Locken - eine Mitgift der
Familie mütterlicherseits; vielleicht war das der Grund, warum
Menenia sich bisher geweigert hatte, auch nur eine davon
abzuschneiden.
    Ohne abzubremsen
flitzten die beiden durchs Arbeitszimmer und verschwanden im
Nachbarraum, dicht gefolgt von ihrer bemerkenswert ruhigen, sogar
lächelnden Mutter.
    »Seid ihr
Männer endlich fertig mit eurem Gespräch?« fragte
sie. Menenia stammte aus einer uralten plebejischen Familie, ebenso
ehrwürdig wie unbekannt. Vor hunderten von Jahren war es
einigen ihrer Vorfahren gelungen, ein Konsulat zu erringen, was
zwar eine Ehre ist, aber auch kein Essen auf den Tisch bringt.
Trotzdem konnte sich Eco mit dem ungleich weniger vornehmen
Stammbaum seines Adoptivvaters glücklich schätzen, diese
Partie gemacht zu haben, und Menensa selbst ist über jeden
Vorwurf erhaben: ein Vorbild für jede römische Matrone.
Sie versteht es sogar, ihre Schwiegermutter mit charmantem
Taktgefühl zu behandeln; ich wünschte nur, ich
könnte das bei Bethesda genausogut.
    »Ja,
Frau«, sagte Eco, »ich glaube, wir haben jetzt genug
über Leben und Tod, Gerechtigkeit, die Götter und andere
Trivialitäten philosophiert.«
    »Gut. Dann habt
ihr beide vielleicht einen Moment Zeit für euren Nachwuchs.
Die Zwillinge toben nur deshalb so durchs Haus, weil sie sich
weigern, ins Bett zu gehen, ohne ihrem Großvater vorher gute
Nacht zu sagen.«
    »Nun, dann
dürfen wir sie auf keinen Fall länger warten
lassen«, sagte ich lachend, und bevor ich mich versah, kamen
aus dem Nichts zwei blondgelockte Feuerköpfe auf meinen
Schoß gesprungen.
    *
    Es war spät
geworden, und Bethesda würde mich daheim erwarten. Ich
verabschiedete mich rasch von Eco und Menenia, und zu guter Letzt
gelang es mir auch, mich den überraschend festen Griffen von
Titus und Titania zu entziehen -keine leichte Aufgabe, denn jeder
von ihnen packte eine meiner Hände und weigerte sich
loszulassen. Als ich Belbo um Hilfe rief, war das schon fast nicht
mehr scherzhaft gemeint.
    Unter dem Licht des
wächsernen Mondes marschierten wir den Esquilin hinunter und
zurück durch die Subura, deren Straßen auch um diese
Zeit noch belebt waren, und weiter über das Forum, wo die
Tempel still und die breiten mondbeschienenen Plätze fast
menschenleer dalagen. Am klaren Nachthimmel standen zahlreiche
Sterne. Als wir am Haus der Vestalinnen vorbeikamen,

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