Römischer Lorbeer
sind wir
hier?«
»Dies ist die
uralte Begräbnisstätte der Claudier. Sie wurde uns in den
Tagen von Romulus zugesprochen, als unsere Vorfahren von
sabinischem Boden nach Rom zogen. Wir wurden in die Liste der
Patrizier eingetragen und erhielten direkt jenseits der alten
Stadtmauer dieses Stück Land als Familienfriedhof. Im Laufe
der Jahrhunderte hat es sich mit Grabstätten und Gedenksteinen
gefüllt. Als Kinder haben Clodius und ich oft hier gespielt,
wir haben uns vorgestellt, es wäre unsere eigene kleine Stadt.
Wir haben Verstecken gespielt und sind in imaginären
Prozessionen die Pfade auf und ab marschiert. Die Grabmäler
waren große Paläste, Tempel und Festungen, die Wege
breite Straßen und geheime Gassen. Ich konnte ihm immer damit
angst machen, ich würde die Geister unserer Vorfahren
wecken.« Clodia lachte. Sie schob den Umhang von ihren
Schultern und legte ihn achtlos auf eine steinerne Bank.
Der Widerschein der
tiefstehenden Sonne tauchte die Fassaden in einen milden,
blaßroten Glanz, der auch Clodia und ihr schimmerndes Kleid
erfaßte. In dem Bestreben, sie nicht anzustarren, betrachtete
ich die Mauer eines nahen Grabmals mit einer verwitterten Tafel, in
die die Gesichter eines lange verstorbenen Ehepaars gemeißelt
waren.
»Als ich dann
älter wurde, kam ich hierher, um allein zu sein«, sage
Clodia. Sie begann zwischen den Monumenten auf und ab zu gehen und
mit der Hand über die vernarbten Steine zu streichen.
»Das waren die schlimmen Jahre, in denen mein Vater
ständig weg war, entweder von seinen Feinden ins Exil
getrieben oder für Sulla in der Schlacht. Mit meiner
Stiefmutter habe ich mich nicht verstanden. Rückblickend
weiß ich, daß sie sich nur um uns sorgte, aber damals
habe ich es nicht mit ihr ausgehalten, also bin ich
hierhergekommen. Hast du Kinder, Gordianus?«
»Zwei Söhne
und eine Tochter.«
»Ich habe eine
Tochter. Quintus wollte immer Söhne«, fügte sie mit
einem verbitterten Unterton hinzu. »Wie alt ist deine
Tochter?«
»Dreizehn. Sie
wird im August vierzehn.«
»Genauso alt wie
meine Metella! Gerade zu Beginn dieses schwierigen Alters sind die
meisten Eltern froh, ihre Tochter an irgendeinen Mann zu
verschachern, damit sie das Problem los sind.«
»Wir haben
für Diana noch keine Pläne in dieser
Hinsicht.«
»Sie hat
Glück, zu Hause sein zu können, und Glück, daß
ihr Vater da ist. Mädchen brauchen das, weißt du. Alle
reden immer
über Jungen und ihre Väter. Alle Welt kümmert sich
nur um die männlichen Nachkommen. Mädchen brauchen
genauso einen Vater, der sie vergöttert, sie liebt. Und sie
beschützt.«
Einen Moment lang
schien sie sich in ihren Gedanken zu verlieren, bevor sie die
Umgebung wieder wahrnahm. »Und als ich noch ein wenig
älter war, bin ich natürlich mit Jungen hierhergekommen.
Meinen Brüdern hat meine Stiefmutter alles erlaubt, aber mit
ihren eigenen Töchtern und mir war sie sehr streng, oder sie
hat es zumindest versucht, obwohl es ihr nichts als Kummer bereitet
hat. O ja, hier hatte ich so manches geheime Stelldichein, unter
diesen Bäumen, auf genau dieser Bank. Das hatte natürlich
ein Ende, als mein Vater mich mit meinem Vetter Quintus
vermählte«, sagte sie düster.
»Und nun, als
Witwe, bringst du deine Verehrer wieder hierher?«
Clodia lachte.
»Was für eine absurde Vorstellung. Warum fragst
du?«
»Chrysis hat so
etwas gesagt, als ich aus der Sänfte gestiegen
bin.«
»Die ungezogene
Chrysis. Sie hat dich bestimmt nur geneckt. O ja, vermutlich sagen
mir die Leute so etwas nach - ›Clodia trifft ihren
Liebhaber um Mitternacht auf dem alten claudischen Friedhof! Sie
zerrt die jungen Männer in die Gruft und entjungfert sie,
während ihre Vorfahren vor Scham nach Luft schnappen!«
Aber heutzutage sind mir ein Sofa und Kissen allemal lieber. Dir
nicht?« Sie stand dicht neben mir und wandte den Kopf, um
mich direkt anzusehen. Die Sonne schien ihre Stola in einen
dünnen Nebel zu verwandeln, der um ihren nackten Körper
schwebte und mit einem Hauch zu vertreiben gewesen
wäre.
Ich wandte mich ab und
sah mich dem stattlichen Relief eines Pferdekopfes gegenüber,
dem alten Symbol des Todes. Tod als Aufbruch und Tod als etwas, das
stärker war als der Mensch. »Du wolltest mir diese Sache
mit dem Gift erklären«, sagte ich.
Sie setzte sich auf
die Bank, wobei sie ihren Umhang als Kissen benutzte. »Marcus
Caelius plant, mich noch vor Prozeßbeginn zu
vergiften.«
Sie ließ diese
Aussage einen Moment nachhallen,
Weitere Kostenlose Bücher