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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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»Ist hier
sonst noch jemand entlanggekommen?«
    »Ja«,
keuchte eine der Stimmen. »Der Idiot ist mir auf die Hand
getreten! Er müßte inzwischen durch den Heizraum und
draußen auf der Gasse sein. Also, wenn ihr nichts dagegen
habt -«
    Barnabas
stöhnte.
    Die sich windenden
Gestalten am Boden zuckten und stöhnten ekstatisch.
    Ich zerrte Barnabas
ins Bad zurück und schloß die Tür hinter uns. Nun
hatte die Schmierenkomödie wirklich alles,
einschließlich eines Höhepunkts.

 
    DRITTER
TEIL
    ____________________
    NOX

16
    Den ganzen Weg bis zu
Clodias Haus war Chrysis am Grübeln. Sie hatte darauf
bestanden, daß ich mitkam, um alles zu erklären. Ich
glaube, sie hatte Angst, ihrer Herrin die Nachricht allein zu
überbringen.
    Die Sänfte war,
gefolgt von den Leibwächtern und Belbo, in die kleine
Sackgasse eingebogen und hatte uns vor dem Haus abgesetzt. Belbo
und ich warteten auf der schwarz-rot-gefliesten Schwelle,
während Chrysis an die Tür klopfte, dann meine Hand
ergriff und mich ins Haus zog. Belbo kam
hinterher.     
    »Was soll das
heißen, sie ist nicht hier?« hörte ich sie den
Sklaven anfahren, der die Tür öffnete.
    »Sie ist
weggegangen«, sagte der alte Mann. »Ich weiß
nicht, wohin.«
    »Weswegen?
Für wie lange?«
    Er zuckte die
Schultern. »Mir sagt ja keiner etwas. Aber

    »Sie wird doch
bestimmt nicht beschlossen haben, selbst zu den Bädern des
Senia zu kommen«, murmelte Chrysis und knabberte an einem
Fingernagel. »Nein, dann hätte sie mich gesehen. Es sei
denn, sie ist einen anderen Weg gekommen. O Attis!« Chrysis
stieß einen kleinen Verzweiflungsschrei aus. »Warte
hier«, fügte sie hinzu und machte eine vage Geste in
Richtung des Hausinneren.
    Während Belbo in
der Halle blieb, wanderte ich durch das angrenzende Atrium, weiter
durch einen breiten Flur und einen Säulengang entlang, zuletzt
eine kurze Treppe hinunter an die frische Luft und in die Sonne.
Der Garten war quadratisch angelegt und von einem überdachten
Säulengang umgeben. Auf der gegenüberliegenden Seite
erstreckte sich eine niedrige Plattform, offenbar
eine Bühne, denn sie wurde auf der Rückseite von einer
Mauer begrenzt, auf die eine chaotische Stadtlandschaft gemalt war
wie in einer Theaterkulisse. In jeder Ecke des Gartens stand eine
Zypresse, die das Dach überragte. In der Mitte des Gartens
befand sich ein kleiner Brunnen mit der Skulptur eines nackten
Adonis. Zu seinen Füßen tummelten sich Fische aus
Bronze, aus deren weit geöffneten Mäulern sich Wasser in
das Becken ergoß. Ich trat näher heran, um die Mosaike
auf dem Boden des Brunnens zu bewundern. Unter dem
plätschernden Wasser oszillierten Bilder von Delphinen und
Tintenfischen.
    Der Adonis war kniend
dargestellt, die erhobenen Hände ausgestreckt, das Gesicht mit
strahlendem Ausdruck nach oben gewandt. Es war offensichtlich, wem
er seine Referenz erwies, denn auf der Treppe, die ich gerade
heruntergekommen war, thronte auf einem hohen Sockel eine riesige
Venus aus Bronze, die den gesamten Garten überblickte, noch
kunstvoller gearbeitet als das Standbild in Clodias horti am Tiber.
Die Göttin war halb nackt dargestellt; ihr Gewand
kräuselte sich um ihre Hüften und schien im Moment des
Zubodenfallens festgehalten worden zu sein. Die Rundungen ihres
Körpers waren voll, die bemalte Bronze sah aus wie
geschmeidige Haut, doch die Figur sprengte jeden Maßstab, sie
war geradezu beunruhigend groß, eher einschüchternd als
schön. Ihre Hände waren in einer Geste beredter
Zärtlichkeit dargestellt, weniger erotisch als
mütterlich, was in seltsamem Widerspruch zu ihrer Miene stand,
die in ihrer Schönheit eigenartig passiv und ernst wirkte.
Ihre starren Augen aus Lapislazuli blickten auf mich
herab.
    Als ich so vor dem
Brunnen stand und Venus aus Adonis' Blickwinkel betrachtete,
vernahm ich irgendwo in der Nähe das leise Echo von Gesang und
Instrumenten, das, vom Plätschern des Springbrunnens
überdeckt, bald lauter, bald leiser herüberwehte, bis es
plötzlich abrupt lauter und schneller wurde. Ich hörte
Flöten, das Rasseln von Tamburinen und das Geklimper von
Glöckchen, begleitet von einem seltsamen Gejammer, in nichts
mit normalem Gesang vergleichbar. Ich glaubte, einzelne Worte zu
hören, doch der plätschernde Springbrunnen hinderte mich
daran, sie zu verstehen. Die Musik wurde immer lauter und
schneller. Ich starrte in das Antlitz der Venus. Je länger ich
in ihre Lapislazuli-Augen blickte, desto mehr war mir, als
könnte

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